Das Hinterland zwischen Nizza und Antibes
Von Nizza nach Antibes gibt es eine durchgehende Straße direkt am Meer entlang. Viel Sehenswertes gibt es auf dieser Strecke jedoch nicht, da die Gegend in der Baie des Anges von großen Ferienbauten und Appartmentkomplexen dominiert wird. Viel attraktiver ist eine Fahrt von Nizza nach Antibes, wenn man einen riesigen Umweg fährt, nämlich quer durch die Bergstraßen des Hinterlandes, mitten durch die Alpes Maritimes hindurch.
Die Traumstrecke führt von Cagnes-sur-Mer aus nach Norden in den Künstlerort Saint-Paul-de-Vence, dann in das benachbarte Vence und schließlich westwärts nach Tourrettes-sur-Loup. Anschließend geht es weiter in das Bergdorf Gourdon; dazu muss man jedoch die Schlucht der Loup (Gorges de Loup) durchqueren. Auf der Weiterfahrt zurück zum Meer nimmt man noch die Parfümstadt Grasse mit.
Zugegeben, diese Strecke von Nizza nach Antibes ist nicht gerade der nächste Weg; für die gesamte Strecke benötigt man, wenn man die einzelnen Dörfchen besichtigt, einen ganzen langen Tag. Diese Tour durch das Landesinnere gehört jedoch zu den schönsten Touren an der gesamten
Côte d'Azur. Die Ausblicke sind atemberaubend, die kleinen Dörfchen bieten genau das, was man als Besucher von einem südländischen Bergdorf erwartet. Die Fahrt führt durch tolle Landschaften mit faszinierenden Ausblicken.
Dass man auf einer solchen faszinierenden Strecke nicht alleine unterwegs ist, auch wenn man sich weit abseits der Küste befindet, ist klar. In den berühmten Bergdörfern Saint-Paul-de-Vence oder Gourdon steigen ganze Busse von Touristen ab. Da hilft nur eines: früh losfahren, damit man die Runde als erster macht. Auf der Strecke und an den Aussichtspunkten findet man jedoch die Gemütlichkeit an sich: Hier herrscht Ruhe und Stille.
Cagnes-sur-Mer und Haute-de-Cagnes
Wenn wir unsere Tour in Nizza starten, fahren wir die Promenade des Anglais entlang und am Flughafen vorbei bis wir uns in Cagnes-sur-Mer befinden. Das Gebiet in der Baie des Anges ist so dicht bebaut, dass man zwischen den einzelnen Städten kaum noch unterscheiden kann. Cagnes schreckt uns zunächst einmal ab: Gewaltige Betonbauten und riesige Appartmentkomplexe säumen die Küste, so dass man den Ort irgendwie hinter den Gebaeuden umfahren muss. Man ist irgendwie verwundert, kennt man doch solche Strandbauten eher von Mallorca oder anderen Massentourismusgebieten.
Genau genommen nennt sich dieses Gebiet Cros-de-Cagnes, unmittelbar dahinter befindet sich Cagnes-sur-Mer. Die gut 30.000 Einwohner zählende Stadt ist eine geschäftige und hektische französische Kleinstadt; Urlaubsgefühle kommen hier nicht auf; Weiter oben am Berg befindet sich jedoch der dritte Stadtteil von Cagnes, nämlich Haute-de-Cagnes; Es ist fast ein Wunder, dass dieses mittelalterliche Dorf von dem Rummel der eigentlichen Stadt Cagnes gar nichts mitbekommt. Durch ein paar mittelalterliche Stadttore gelangt man in die Altstadt, die mit kleinen, verwinkelten Gässchen aufwartet.
In Haute-de-Cagnes spielt sich das Leben ab, als wären die Uhren vor 150 Jahren stehen geblieben. Dabei war doch dieser Burghügel schon besiedelt, als von Cagnes-sur-Mer keine Spur zu sehen war: Im 12. Jahrhundert wurde die kleine Festung errichtet, die im 16. Jahrhundert zu einem Lustschlösschen umbegabut wurde. Das Château kann heute mit seinem kleinen Museum zusammen besichtigt werden.
Zu besichtigen ist das Haus des Malers Renoir (La Maison de Renoir). Auguste Renoir verbrachte seine letzten 12 Lebensjahre in Haute-de-Cagnes. Sein Haus ist heute ein Museum mit Gartenanlage. Zu sehen bekommt man als Besucher nicht nur einige Gemälde des Künstlers sondern auch sein Atelier, wo noch zahlreiche Pinsel und Paletten herumliegen, als würde der Maler jeden Augenblick wieder zurückkommen...
Nach dem Schock von Cagnes-sur-Mer und der Wiedergutmachung mit Haute-de-Cagnes kommt jetzt der traumhafte, unvergessliche Teil unserer Fahrt durchs Landesinnere zwischen Nizza und Antibes.
Saint-Paul-de-Vence
Der erste Ort, in dem wir auf unserer Tour ins Landesinnere Halt machen, ist Saint-Paul-de-Vence. Der Ort liegt bereits über 150 Meter über dem Meeresspiegel; der Motor braucht nach der Bergfahrt etwas Abkühlung...
Saint-Paul-de-Vence gibt es schon seit über 2.000 Jahren. Im mittelalterlichen Zeiten gab es heftige Kämpfe um den Ort. So wurde im 16. Jahrhundert die Befestigungsanlage um den Ort herum errichtet; diese ist heute noch weitgehend erhalten und ist eine der Hauptattraktionen des Örtchens.
Das kleine Bergdorf Saint-Paul-de-Vence zählt keine 3.000 Einwohner. In der Hochsaison zählt man auf engstem Raum aber gewiss mehr als 20.000 Leute, denn hier hält ein jeder Touristenbus. Saint-Paul-de-Vence ist ein Bergdorf wie aus dem Bilderbuch: Das Dorf ist malerisch auf einem Hügel gelegen; im Inneren gibt es schnuckelige Gässchen mit vielen kleinen Läden, Gallerien und Restaurants.
Wer an moderner Kunst interessiert ist, kann am Rande des Dorfes die Foundation Maeght besichtigen. Für 8 € bekommt man eine Menge hochkarätiger Werke von namhaften Künstlern zu sehen. Wer die Tour durch das Hinterland macht, hat im Normalfall jedoch weniger Lust auf Kunst und Meseum, sondern ist gespannt auf den weiteren Streckenverlauf und das nächste Dorf.
Vence
Auf der kurvigen Weiterfahrt von Saint-Paul-de-Vence nach Vence steigt man auf über 300 Höhenmeter auf. Die Fahrt durch die Weinberge und Obstplantagen ist sehr angenehm und dank zahlreicher schöner Ausblicke äußerst interessant. Die Stadt Vence bildet einen krassen Gegensatz zu Saint-Paul: Während Saint-Paul-de-Vence eigentlich nur noch eine riesige Touristenabsteige darstellt, ist Vence ein kleines Städtchen, das lebt und pulsiert. Die meisten Touristen fahren an Vence vorbei, auch wenn die Stadt von außen sehr einladend aussieht.
Auch Vence kann auf eine mehr als 2.000 Jahre alte Geschichte zurückblicken. Die Römer gründeten in Vence eine ihrer zahlreichen Niederlassungen zur Sicherung des Imperium Romanum. Vence wurde im Jahre 374 sogar Bischofsstadt, doch im weiteren Verlauf des ersten Jahrtausend verlor die Stadt ihre einstige Bedeutung. In mittelalterlichen Zeiten war Vence nur noch ein kleiner, unbedeutender Ort, der durch eine Stadtmauer von knapp 700 m Länge befestigt war. Teile dieser Mauer sind heute noch zu sehen.
In Vence erlebt man heute das Leben in einer unbedeutenden französischen Kleinstadt. Gallerien, Souvenir-Shops und Postkartenstände findet man nur vereinzelt; es dominieren Läden und Stände für die einheimische Bevölkerung zum Einkaufen. Es wird viel Gemüse, Fisch und Obst angeboten. Im Zentrum der Stadt findet man das prächtige Rathaus mit dem Rathausplatz davor. Sehenswert ist ferner die alte Kathedrale der Stadt.
Vence ist der richtige Ort auf unserer Fahrt durch das Landesinnere, wo man eine erste Pause machen sollte, um etwas zu essen oder einen Kaffee zu trinken, damit man für die beiden weiteren Höhepunkte genug Energie aufgetankt hat.
Unsere Tour geht jetzt weiter in den kleinen Ort Tourrettes-sur-Loup. Wer jedoch etwas mehr Zeit mitbringt und keine Bange vor Serpentinenstraßen hat, der kann zum 970 Meter hoch gelegenen Col de Vence hinauffahren. Von diesem Berg hat man eine grandiose Aussicht auf die gesamte Tour, auf der man sich befindet, hinunter zum Meer und bei klarer Sicht weit in das Land hinein.
Tourrettes-sur-Loup
Einer der faszinierendsten Orte auf unserer Tour ist Tourrettes-sur-Loup. Schon von weitem entdeckt man die festungsähnliche Stadt auf dem Kalksteinfelsen. Das Faszinierende an diesem kleinen Ort ist, dass die Häuser am Stadtrand so gebaut sind, dass sie eine Art Stadtmauer bilden. Das ganze Dorf wirkt wie eine kompakte Einheit, wie eine uneinnehmbare Festung.
Der Reiz von Tourrettes-sur-Loup beschränkt sich jedoch im Wesentlichen auf das Äußere. In dem knapp 4.000 Einwohner zählenden Dorf selbst gibt es naemlich keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten. Das kleine Schloss ist zwar nett, muss man aber nicht unbedingt gesehen haben.
Tourrettes-sur-Loup ist heute ein kleines Zentrum des provenzalischen Kunsthandwerkes geworden. Wen handgefertigte Waren interessieren, der wird sich in dem kleinen Ort wohl fühlen.
Gorges du Loup
Auf unserer Fahrt sehen wir immer wieder ein kleines Dörfchen hoch und abenteuerlich auf einem Felsen gelegen. Es ist das berühmte Dorf Gourdon, welches das nächste Ziel unserer Tour ist. Zuvor kommt uns jedoch die Loup in die Quere. Die Schlucht der Loup müssen wir irgndwie überqueren.
Die Loup ist ein fast einzigartiger Fluss. Sie entspringt in 1.300 Metern Höhe und legt auf ihrem Weg ins Meer keine 50 km zurück. Entsprechend stark ist das Gefälle des Flusses. Wenn die Loup im Winter eine Menge Wasser führt, stürzt sie wie ein reißender Bach das Tal hinunter. Im Sommer findet man jedoch nur ein kleines Rinnsal vor. Die Loup hat sich im Lauf der Jahre tief in die weiche Kalklandschaft hineingefressen.
Auf seinem Weg ans Meer stürzt das Wasser zahlreiche spektakuläre Wasserfälle hinunter. Wer genügend Zeit hat, kann einen kleinen Spaziergang an der Loup machen, die Schlucht bestaunen oder den einen oder anderen Wasserfall betrachten.
Das Bergdorf Gourdon
Nachdem wir die Gorges du Loup überquert haben, steigt die Straße auf kurzer Strecke serpentinenartig auf über 700 Meter Höhe an. Schließlich kommen wir in dem Dorf heraus, das wir immer wieder auf unserer Tour bestaunt haben. Gourdon liegt auf 758 m Höhe direkt auf einem rießigen Felsen. Ein Besuch des Örtchens lohnt sich alleine schon wegen der grandiosen Aussicht. Von hier aus sieht man einen Großteil der Route, die man bis dahin zurückgelegt hat.
Obwohl Gourdon eigentlich außer der super Aussicht nicht viel zu bieten hat, ist der Ort von Touristen völlig überlaufen. Die zahlreichen Busse auf den Parkplätzen vor dem Dorf schrecken schon ab, das Gedrängel in den schmalen Gassen noch viel mehr. Dennoch nimmt man diesen Ort natürlich mit. In der Stadt findet man einen Touristenladen neben dem anderen. Es wird viel billig hergestellte "Kunstware" verkauft. Man sollte sich von den tollen Ausblicken nicht so sehr blenden lassen, dass man die Billigware im Rausch der Höhe kauft.
Die Parfümstadt Grasse
Nur ca. 10 Kilometer Luftlinie von der Küste entfernt befindet sich die weltberühmte Parfümstadt Grasse. Die Stadt mit knapp 50.000 Einwohnern wird zwar in erster Linie wegen der berühmten Duftstoffe besucht, jedoch lohnt sich auch ein Besuch der Altstadt von Grasse.
Grasse ist keine uralte Stadt wie so mancher Ort an der Côte d'Azur. Grasse ist eigentlich erst seit Beginn des zweiten Jahrtausends bekannt. Im 16. Jahrhundert war Grasse durch sein Gerberhandwerk in der Gegend berühmt. Eine zufällige Entwicklung verschaffte Grasse seine Berühmtheit, die es heute noch genießt: Als es in noblen Kreisen Sitte wurde, seine feinen Lederhandschuhe zu parfümieren, begann in Grasse die Entwicklung der Duftstoffe.
In Grasse herrschte das richtige Klima, um die für gute Duftstoffe gebrauchten Pflanzen zu züchten. Während man vor einige Jahrzehnten jedoch noch ganze Felder mit schönen Blüten fand, werden heutzutage die Essenzen aus Billigländern importiert. Immer noch ist jeder zehnte Arbeitsplatz in Grasse irgendwie von Parfüms und Duftstoffen betroffen; die eigentliche, berühmte Parfümindustrie ist jedoch eher ein kleiner Zweig. Ein großer Teil von Duftstoffen wandert in die Waschmittel- und Spülmittelindustrie oder auch in die Lebensmittelindustrie zur Verfeinerung von Kuchenaromen oder Saucen.
Im 19. Jahrhundert war Grasse zeitweise ein Kurort. Im 20. Jahrhundert konnte die kleine Stadt jedoch den Tourismus nicht mehr im Landesinneren halten. Heute ist Grasse eine kleinere Stadt, die von den meisten Touristen nur noch im Vorbeifahren besucht wird. Übernachtungen in Grasse gibt es kaum; viele Touristen besuchen gar nur die Parfümerien wie Fragonard oder Gallimard.
In der Altstadt gibt es seit 1989 ein internationales Parfümeriemuseum, in dem man sich ausführlich über alle Schritte bei der Herstellung eines Parfüms informieren kann. Es ist sehr interessant, wenn man mal den Herstellungsprozess seines Lieblingsparfüms kennenlernt...
Das wunderschöne Töpferdorf Biot
Kurz bevor wir wieder die Küste erreicht haben, machen wir einen letzten Stop in einem der schönsten Bergdörfer der gesamten Region: Wir erreichen das traditionelle Töpferdorf Biot. Der Bergkegel von Biot wurde bereits zur Römerzeit besiedelt, und schon zu damaliger antiker Zeit wurden die ersten Tontöpfe fabriziert. Bis auf kurze Unterbrechungen wurde das Töpferhandwerk in Biot für fast zwei Jahrtausende gepflegt.
Im 20. Jahrhundert kamen zu dem traditionellen Töpferhandwerk noch zwei weitere alte Kunstgewerbe hinzu, nämlich die Glasblaserei und die Goldschmiederei. Biot präsentiert sich heute als ein mittelalterliches Kunsthandwerkerdorf, das durch sein angenehmes Flair und seine urige Atmosphäre seine Besucher zum Kauf von Handwerkswaren stimulieren will.
In dem alten Städtchen gibt es zahlreiche kleine Töpferläden und Geschäfte, die selbst gemachte Kunstgegenstände verkaufen. Bis auf wenige Ausnahmen wird hier qualitativ hochwertige Ware mit einzigartigem, individuellem Design verkauft. In einem Töpferladen fragte ich einmal, ob es möglich wäre, in zwei Jahren, wenn ich wieder komme, noch einen gleichen Teller eines handgefertigten Geschirrs zu bekommen; Als Antwort bekam ich, dass die Teile individuell seien, dass ich jedoch eine Notiz mit den verwendeten Farben bekommen könne, so dass ich ein ähnliches Teil ordern könnte. Das nenne ich individuelles Design und Handwerk!
In der Tat gehört Biot zu den Orten an der Côte d'Azur, die ich immer wieder gerne besuche. An keinem anderen Ort der Welt bekommt man so schöne Töpferwaren wie in Biot. Der Ort ist aber auch sehenswert, wenn man kein Interesse an alter Handwerkskunst hat. Es macht Spaß, auf den kleinen Sträßchen und Wegen des Ortes spazieren zu gehen und immer wieder neue Geschäfte zu entdecken. Sehr schön ist der Ortskern (Place des Arcades), wo man einige Restaurants und Cafés findet.
Biot hat einen großen Parkplatz außerhalb des eigentlichen Dorfes. Dort befindet sich auch ein Museum für Glasbläserei, wo man live miterleben kann, wie Gläser oder Blumenvasen aus flüssigem Glas mundgeblasen werden. Der Eintritt in dieses Museum ist frei; schließlich soll der Besucher seinen Geldbeutel nicht an einer Eintrittskasse leeren sondern im gleich anschließenden Verkaufsbereich.
Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
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