Die Regionen der Flüsse und der Seen
Wie der Name schon sagt, sind zahlreiche Gewässer typisch für die Region der Flüsse und die Region der Seen. Trotz einer bemerkenswerten Entwicklung des Handels und der Industrie sind in den beiden Regionen noch der Fischfang und die Landwirtschaft weit verbreitet; der Stress der Großstädte scheint in den verträumten Städtchen und Wäldern absolut unvorstellbar. Die Regionen der Flüsse und Seen bieten einen Einblick in eine Welt, die besonders für Europäer anders und gleichzeitig doch vertraut ist.
Valdivia
Warum ist die Stadt, die nach Pedro de Valdívia benannt ist, bei den Chilenen so beliebt? Was ist es, das sie so bekannt macht? Zum einen mag es die interessante Lage Valdívias sein; sie ist in dieser Region eine der wenigen großen Städte, die in Meeresnähe liegt - 15 km sind es etwa zum Pazifik. Charakteristisch für Valdívia sind jedoch vor allem zwei Gegebenheiten: Der Río Valdívia, der durch die Stadt läuft und die Präsenz vom "Strudelland", meint ein chilenischer Freund und bezieht sich damit auf ein Stück Deutschland in Chile.
Recht hat er; wie bereits im Kapitel Auf den Spuren der Deutschen in Südchile erwähnt, sieht man heute noch den deutschen Einfluss in Valdívia. Dieser wird in mehreren Gegebenheiten deutlich: In der Architektur, in den Straßennamen, die deutsche Sprache ist bei vielen Leuten zumindest ansatzweise präsent, deutsche Bäckereien, der beliebte Verzehr des Apfelstrudels und - ganz interessant - eine deutsche Brauerei, die Cervecería Kunstmann. Ein Nachkomme deutscher Kolonien namens Kunstmann mit seiner Familie war es, der die Bierbrauerei mit dem Museum eröffnete und unter dem Leitspruch "Kunstmann - das gute Bier" eine unvergleichliche Karriere machte.
Als Zwischenstopp von einem Tag auf jeden Fall empfehlenswert möchte ich für Valdívia einen kurzen Überblick über lohnenswerte Sehenswürdigkeiten geben.
Einer der Höhepunkte in Valdívia ist eine Schiffsfahrt auf dem Río Valdívia. Man kann sich zwischen mehreren Varianten entscheiden, die in Dauer und in der Route variieren, z.B. bis zum Pazifik, an spanischen Festungen oder an kleinen Kirchen vorbei. Meist ist im Preis ein Mittagessen oder ein Nachmittagskaffee mit Kuchen einbegriffen. Der Fluss Valdívia beeindruckt mit seiner Größe; besonders wenn man die städtische Umgebung verlässt, bekommt man wunderschöne Landschaften zu sehen, deren Horizont stark an den Schwarzwald erinnert. Ausgangspunkt der Schiffsfahrten ist der Muelle Schuster. Da die Fahrten meist mittags erst beginnen, sollte man versuchen, vorher einen Blick auf den täglichen Fischmarkt an der Costanera werfen.
Ungewöhnlich und für Valdívia überaus typisch sind die bettelnden Seelöwen, deren Größe und vermutlich sehr hohes Gewicht Respekt verschaffen; Wenn sie sich nicht gerade an den Ständen des Fischmarktes aufhalten, faulenzen die Seelöwen am Ufer oder tollen im Fluss - was für ein Anblick!
Wie man bereits ahnt, sind Fisch und Meeresfrüchte eine der größten Spezialitäten in Valdívia, die man sich keinesfalls entgehen lassen sollte. Im Stadtzentrum befinden sich zahlreiche kleine Restaurants, die viele Varianten dieser Köstlichkeiten anbieten.
Nicht nur für Pflanzenfreunde sind die Universität von Valdívia mit dem botanischen Garten und der Naturpark Saval sehr schöne Attraktionen. Unter den Museen Valdívias sind das Museum der deutschen Einwanderung, das Museum für zeitgenössische Kunst und das Museum der Cervecería Kunstmann sehr bekannt.
Parque Nacional Puyehue
An das nächste Ziel, den Nationalpark Puyehue, gelangt man von Valdívia über Osorno. Der mit immerfeuchten Wäldern charakterisierte Parque Nacional Puyehue ist nicht nur für seine sehr schönen und abwechslungsreichen Wanderwege bekannt, obwohl diese wahrscheinlich die Mehrheit seiner Besucher anziehen. Der Park hat weitaus mehr zu bieten, wie z.B. vulkanische Aktivitäten und damit das berühmte Thermalbad "Aguas calientes". Weiterhin beliebt sind im Winter Skifahren (im Zentrum des Sektors Antillanca), Bergsteigen (vorzugsweise auf den Vulkanen Puyehue, Casablanca und auf dem Cerro Pantojo) campen, picknicken in einer außergewöhnlichen Umgebung und die Fotografie.
In die drei Sektoren Aguas Calientes, Anticura und Antillanca geteilt wird der immense Park relativ anschaulich; am besten besorgt man sich gleich am Anfang Informationen bei der Verwaltung im Sektor Agua Calientes. Dort kann man sich auch einen Überblick über die Wanderwege beschaffen, einer von ihnen ist z.B. der Pfad "El Pionero" mit einer Länge von etwa 1500 m. Er führt über verschiedene Pfade mit Steigungen zu einem Ausblick, von welchem man eine sehr schöne, weiträumige Sicht auf die ganze Umgebung hat; Neben mehrstündigen Wanderungen gibt es auch ganze Tagestouren.
Der Park bietet eine sehr gute Infrastruktur: Alleine im beliebten Sektor Aguas Calientes gibt es 29 Cabañas, die zwischen zwei und zehn Leute beherbergen und elektrische Energie, Telefon, Warmwasser und Handtücher bieten. Es gibt ein Restaurant und sogar einen kleinen Supermarkt; allerdings sei an dieser Stelle geraten, sich selbst zu verpflegen und die Nahrungsmittel am besten in Valdívia oder Osorno einzukaufen - im Park kosten sie das Doppelte oder Dreifache.
Bei schlechtem Wetter kann man sich im überdachten Schwimmbad aufhalten; vielfach wird jedoch der wunderschön gelegene Pool des Thermalbads vorgezogen. Das Bad ist etwas höher gelegen und befindet sich am Waldrand mit Aussicht auf einen Fluss; ideale Voraussetzungen zum Entspannen. Die heißen Temperaturen können den Körper jedoch bedeutend schwächen; mein Reisekamerad war nach einem Aufenthalt von knapp anderthalb Stunden so verwirrt, dass er sich aus Versehen Shampoo statt Zahnpasta auf die Zahnbürste geschmiert hat - ich kann mir bis heute nicht erklären, wie man diese zwei Sachen derart verwechseln kann.
Im Nationalpark Puyehue kann man mit etwas Glück eine interessante Tier- und Pflanzenvielfalt entdecken: Pumas, Füchse, Zwerghirsche und Vogelarten wie der Kondor, el choroy, el chercan, la huala haben im Park ihr Zuhause. Leichter als die Tierwelt sind die verschiedenen Pflanzenarten zu entdecken, weshalb der Park ein beliebtes Ausflugsziel für Schulklassen ist. Neben Exkursionen bilden sich die Schüler auch im Informationszentrum mit Lehrfilmen, Vorträgen und Projekten weiter fort.
Puerto Varas
Ein Ziel, das man auf einer Tour im Süden keinesfalls verpassen sollte ist das Städtchen Puerto Varas, das malerisch am Lago Llanquihue liegt, eine hervorragende Aussicht auf den Volcán Osorno hat und die Möglichkeit zum Abstecher in den faszinierenden Nationalpark Vicente Pérez Rosales bietet.
Puerto Varas ist für seine typisch deutsche Architektur berühmt, darunter auch für die Kirche mit den zwei roten Türmen. Das Städtchen gehoert zu jenen urbanschen Zonen, die auch heute noch ein besonderes Flair haben: Fern von Massentourismus fühlt man sich in Puerto Varas schnell heimisch, entdeckt hier und da Namen wie etwa "Bäckerei Klein" oder "Ellenhaus" und man kann sich nach einem Tagesausflug ausgezeichnet am Lago Llanquihue entspannen.
Der Lago Llanquihue ist mit einer Oberfläche von 86.000 Hektar nach dem Lago General Carrera der zweitgrößte See Chiles. Der See, dessen Name soviel wie "überschwemmt" oder "untergetaucht" bedeutet, ist im Sommer eine Attraktion für Touristen und Einheimische, die das kühle Nass aufsuchen. Nicht nur schwimmen, sondern auch Rafting, Kayakfahren und bei gegebenen Bedingungen Windsurfen sind gern ausgeübte Aktivitäten.
Parque Nacional Vicente Pérez Rosales
Der Parque Nacional Vicente Perez Rosales ist einer der außergewöhnlichsten Nationalparks dieser Gegend und meiner Meinung nach auch einer der schönsten Parks des Landes. Er liegt etwa 18 km nordöstlich von Puerto Varas und ist mit dem PKW über die Ruta Internacional 225 oder mit dem Bus ohne Weiteres zu erreichen. Nähere Informationen zu den Busgesellschaften gibt das Touristeninformationszentrum in Puerto Varas.
Nach dem Betreten des Parks läuft man erst durch ein Waldgebiet und überquert einen reißenden Fluss, in dem meterhohe Felsbrocken liegen, bevor es einem fast den Atem verschlägt: Vor uns liegt der mächtige Vulkan Osorno. Der Kontrast des schneeweißen Vulkans zum blauen Himmel, die Wälder und die reißende Flüsse, von denen man umgeben ist, sowie der starke Wind verleihen eine einzigartige Atmosphäre, die man nirgends auf die gleiche Art nachempfinden kann.
Glücklicherweise ist der Ausblicksplatz gut mit Gittern geschützt; leichte Personen oder Kinder würden sonst Gefahr laufen, in den Fluss zu fallen und im reissenden Strom weggeschwemmt zu werden. Ein Stück weiter im Wald hat der Wind beträchtlich abgenommen und wir können die Wanderung problemlos fortsetzen; Einige Wege sind ausgeschildert, wie die Wanderwege Sendero Saltos del río Petrohué, Sendero Los Enamorados, Sendero Laguna Verde etc. Fast alle sind in 15 - 30 Minuten zu erlaufen. Wir kommen an wunderschönen, kleinen Seen mit mehreren Wasserfällen vorbei - eine ideale Gelegenheit zum Rasten.
Der Río Negro wirkt inmitten des Waldes versteckt und übt mit den vielen Pflanzen eine magische Anziehungskraft aus - sein Plätschern hat eine dermaßen ruhige Wirkung, dass man stundenlang zuhören könnte. Stress scheint zum Fremdwort geworden zu sein.
Der wundervolle aber nicht ganz so bekannte Park wird zwar auch von Besuchern aufgesucht, hat aber nicht wie etwa der Nationalpark Torres del Paine mit Problemen der exponentiell steigenden Besucherzahlen zu kämpfen. Inmitten seiner attraktiven Naturschauplätze wie dem Lago Todos Los Santos, los Saltos del Petrohué, dem Río Negro und dem Volcán Tronador hat man die einzigartige Möglichkeit, eine außergewöhnliche und nahezu unberührte Landschaft zu genießen - in einer Art, die man in Europa nicht findet.
Sonstige Ausflüge
Aus Zeitgründen mussten wir nach unserem Besuch der Umgebung von Puerto Varas wieder nach Santiago aufbrechen; Auch wenn Puerto Varas schöner sein soll als die etwa 18km entfernte Stadt Puerto Montt, mag Puerto Montt einen Abstecher wert sein. Der bunte Fischerhafen Angelmó und die Uferpromenade sollen recht anschaulich sein; das Hauptvorhaben in Puerto Montt ist jedoch für die meisten die Weiterfahrt durch die zahlreichen Fjorde und an den Inseln vorbei nach Patagonien oder ein Ausflug zur Insel Chiloé.
Chiloé ist etwa 250 km lang und 50 km breit und für das ländliche Leben bekannt: Nahezu alle Bewohner sollen Kühe, Schweine und Hühner haben. Die Chiloten, wie die Einwohner genannt werden, widmen sich darüber hinaus dem Fischen von Muscheln. Auf der Insel befindet sich der Parque Nacional Chiloé, der wunderschöne Kulissen für Ausritte bieten und mit seiner pflanzlichen Vielfalt überaus sehenswert sein soll.
Zurück zum Inhaltsverzeichnis Chile
Autor: Stefanie Kotulla; Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
|