Sao Jorge – Insel zum Wandern
Die Insel liegt inmitten der Zentralgruppe und ist mit rund 244 km² die viertgrößte der Azoren. Rund 9.000 Einwohner leben in diversen Ortschaften, die fast ausschließlich an der Küste oder in Küstennähe angesiedelt sind. Touristisch noch wenig erschlossen, bei Wanderern und Surfern jedoch schon lange kein Geheimtipp mehr, kann es im Sommer zu Engpässen bei Unterkünften und Mietwagen kommen. Bekannt ist Sao Jorge durch den Käse, der wohl der beste der Inseln ist und auf diese und aufs Festland exportiert wird.
Velas – Zentrum im Inselwesten
Der Flughafen liegt rund 7 Kilometer südöstlich von Velas, dem größten Ort im westlichen Inselteil. Die Bushaltestelle am Flughafen wird einmal täglich (außer Sonntags) nach Velas bzw. Calheta angefahren. In der Praxis ist der Reisende auf ein Taxi oder einen Mietwagen angewiesen, denn der Bus richtet sich nicht nach dem Flugplan. Nach Velas gelangen Sie auch mit dem Shuttleservice der Autovermietung Turistica Sao Jorge.
Heute erreichen wir den Hafen von Velas mit der Fähre aus Cais do Pico. Durch das alte Hafentor aus dem Jahr 1799, einst Teil der Stadtmauer, betreten wir das kleine, freundliche Städtchen.
Das „Sao Jorge Hotel Garden“ kennen wir bereits von unserem ersten Aufenthalt und erreichen es nach knapp 10 Minuten Fußweg. Architektonisch ist das Gebäude weniger ansprechend, die Zimmer mit Blick aufs Meer und kleinem Balkon sind jedoch sauber und geräumig. Direkt gegenüber liegt auch die vorgenannte Autovermietung, wo wir unseren Wagen in Empfang nehmen.
Nahe dem Hafen liegt die Igreja Matriz, die Hauptkirche der Stadt, mit einem Brunnen fernöstlichen Aussehens auf dem Platz davor. Gegenüberliegend bietet das Restaurant Acor neben dem Innenbereich einen Wintergarten und bei schönem Wetter Außenbestuhlung. Die benachbarten Gässchen sind blumengeschmückt, täglich fährt ein Pickup mit großem Wassertank auf der Ladefläche hindurch und die Blumen werden begossen.
Der Garten der Republik, eine kleine Parkanlage im Zentrum, und der botanische Garten etwas außerhalb lohnen einen kurzen Besuch. Sehenswert sind am westlichen Stadtrand die Felsen Morro Grande und Morro do Lerros. Hier kann auch der Kunstrasen des örtlichen Fußballplatzes bewundert werden. Oberhalb des Spielfeldes liegt die Quinta do Canavial. In einem der recht kleinen Zimmer habe ich einige Jahre zuvor drei, vier Urlaubstage verbracht. Die Gastgeber sind freundlich und hilfsbereit. Allein der Spaziergang in die Stadt dauert mit etwa 30 Minuten recht lang und der Rückweg auf den Hügel ist ein wenig anstrengend.
Ein sehr empfehlenswertes Restaurant, das Fornos de Lava, liegt etwas außerhalb im Nachbarort Santo Amaro. Die freundliche Bedienung, reichliche Portionen und das Preis-Leistungsverhältnis sind den Besuch wert. Eine inselumrundende Straße, wie sie auf vielen der Azoreninseln zu finden ist, gibt es auf Sao Jorge nicht. Zwischen Velas und Calheta gibt es einen Ring entlang der Nord- und Südküste mit Verbindung durchs Landesinnere, an die Nordwest- bzw. Südostspitze gelangen wir nur über Stichstraßen. Wir beginnen unsere Inselerkundung mit einem Ausflug nach Rosais.
Rosais – einsame Spitze im Nordwesten
Wenn ich behaupte, einsame Spitze, dann im doppelten Sinn. Einsam ist man hier, nur am Wochenende ist der Park von Sete Fontes lebhafter besucht. Spitze, weil es atemberaubende Ausblicke gibt. Von Velas aus führt die Hauptstraße bergauf, am ersten Kreisverkehr ist Rosais ausgeschildert. Ein langgestrecktes Straßendorf ohne aufregende Sehenswürdigkeiten, die Bewohner leben von der Milchwirtschaft.
So beobachten wir viele Kühe, die auf saftigen, von Hortensienhecken gesäumten Weiden grasen. Bald schon geht es rechts zum sehenswerten Park Sete Fontes. Farne, Zedern, sonstige Bäume und blühende Pflanzen laden zum Verweilen ein. Eine kleine Kapelle, das Boot in einem Tümpel und Tiergehege wollen besichtigt werden.
Zwei Aussichtspunkte erlauben Ausblicke auf die Nachbarinseln bzw. auf die Nordküste von Sao Jorge. Die Aussichtpunkte können mit dem Auto angefahren werden, wir machen einen Fußmarsch vom Park aus. In weniger als einer Stunde haben wir den Rundgang am Pico da Velha abgeschlossen und dabei noch einen traumhaften, wenn auch etwas gespenstischen Ausblick gehabt. Bei klarem Wetter kann man sicherlich weiter blicken, aber die heutige Aussicht hat etwas Mystisches, wir kommen uns vor wie in einem Märchen in einem Zauberland.
Eine rötliche Schotterstraße führt weiter bis an die Spitze der Insel, Ponta dos Rosais. Etwa 5 Kilometer sind es vom Park vorbei an Weiden, hier und dort ein paar Bäume. Ein Leuchtturm und ehemals militärisch genutzte Bauten sind dem Verfall preisgegeben. Ich überlege, dass man einige Gebäude, vormals vielleicht LKW-Garagen, zu Ferienappartements ausbauen könnte. Ob hier irgendwann ein Investor auf die Idee kommt, ein Feriendorf zu bauen, wage ich zu bezweifeln. Zu weit ab jeglicher Zivilisation liegt die Inselspitze. Dennoch erscheint der Gedanke nicht unmöglich.
Den Blick auf die Nordwestspitze mit dem vorgelagerten Inselchen wenige Schritte links von den Ruinen lassen wir uns nicht entgehen. Zurück in unser Quartier führt der gleiche Weg. Alternativ führt vom Park Sete Fontes ein schmales, asphaltiertes Sträßchen entlang der Nordküste auf die ER1-2, Velas ist dann in südlicher Richtung nach 15 - 20 Minuten Fahrt zu erreichen.
Topo – Leuchtturm im Südosten
An der Südküste führt die Hauptstraße uns ohne Aufenthalt zunächst entlang der Küste bis hinter Calheta und weiter durchs Landesinnere zum südöstlichsten Punkt der Insel. Im Landesinneren liegen lediglich vereinzelte Siedlungen. Einen Teil dieser Strecke - dreimal bin ich sie in drei Jahren gefahren - kenne ich kaum. Jedesmal war die Fahrbahn im Nebel versunken. Nur hin und wieder reißen die Nebelschwaden auf und lassen erahnen, dass die Landschaft wunderschön sein muss. Schade, vielleicht sehen wir das nächste Mal mehr. Hinter Santo Antao lichtet sich den Nebel, nun haben wir unser Tagesziel Topo auch fast schon erreicht. Kurz hinter dem Ortseingang wenden wir uns links zum Farol, dem Leuchtturm.
An der Küste finden wir ein kleines Felsenbad und einen Picknickplatz. Im Atlantik liegt ein Inselchen, Ilheu do Topo. Kühe werden gelegentlich zum Weiden auf schaukelnden Booten zur Insel gebracht. Während der Brutzeit nisten dort eine Vielzahl von Meeresvögeln.
Zurück auf der Hauptstraße folgen wir dieser durch den Ort bis an die Atlantikküste. Steil geht die Straße hier hinunter. Sie endet am Hafen, Cais do Topo. Ein beeindruckendes Bild auf den Ozean bietet sich uns. Ein einsames Häuschen und einige Boote liegen hier verlassen an der Bucht. Nach diesem lohnenswerten Abstecher kehren wir im Nachbarort Sao Pedro in einer unscheinbaren Bar ein. Groß ist die Auswahl an Speisen nicht und besonders geschmackvoll speist man anderswo. Viele Lokale findet man in dieser einsamen Gegend nicht und so müssen wir Vorlieb nehmen mit dem, was geboten wird.
Die ER 1-2 – einmal ums Inselinnere - und die Fajas
Wie ich schon erwähnte, eine Umrundung der gesamten Insel ist nicht möglich. Die ER 1-2 führt zumindest mehr oder weniger in Küstennähe um den zentralen Teil von Sao Jorge. Wir starten von Velas in nördliche Richtung und folgen kurz hinter dem Kreisel mit dem Abzweig nach Rosais der Ausschilderung nach Beira. Nach wenigen Kilometern folgen wir der Hauptstraße nach Osten; wer mag, kann hier links über einen schmalen aber asphaltierten Weg nach Sete Fontes gelangen. Kilometerweit fahren wir vorbei an Wiesen und Wäldern, wenige Ortschaften wie Toledo oder Sao Antonio am Wegesrand sind einen Halt kaum wert. Anders da schon Norte Grande. Außer der Pfarrkirche hat der Ort selbst wenig zu bieten. Lohnenswert ist die kurvenreiche Abfahrt zur Faja do Ouvidor.
Die Fajas sind fruchtbare Oasen am Fuß der steil abfallenden Küste der Insel. Hier gedeiht fast alles, was der Mensch anpflanzt. Waren die Fajas früher nur mit dem Boot oder über steile Felswege erreichbar, sind viele heute an das Straßennetz angeschlossen. Die letzten abgelegenen Örtchen erreicht man heute mit Quads, den lärmenden und stinkenden Vierrädern, die vor keinem Gelände Respekt haben. Manche Fajas wurden im Laufe der Zeit verlassen und werden jetzt als Feriensiedlung wieder entdeckt. In der Faja do Ouvidor leben noch einige Menschen und am Hafen lädt eine Bar zu einem Espresso ein.
Der nächste Ort, Norte Pequeno, ist bekannt durch seine Käserei. Die Cooperativa Agricola de Lacticino ist wohl die größte der Insel. Bekannter bei Touristen ist das schmale Sträßchen, das hier zur Faja dos Cubres hinunterführt. Diese und die benachbarte Faja da Caldeira do Santo Cristo zählen wohl zu den schönsten der Insel. Oberhalb der Faja dos Cubres liegt in einer Kurve ein Aussichtspunkt mit einem grandiosen Blick auf die Faja und den Ozean.
Auf dem weiteren Weg hinunter wird die Straße schmal, bei Gegenverkehr müssen wir eine Ausweichstelle suchen. In der Siedlung unten gibt es eine Bar, am See unternehmen wir einen Spaziergang. Vorgenommen haben wir uns den Weg zur Faia da Caldeira do Santo Cristo. Eine knappe Stunde dauert der nicht schwierige, streckenweise aber bergauf, bergab führende Pfad. Eine Mütze und Sonnencreme sind bei entsprechendem Wetter unerlässlich. Auch etwas Proviant, insbesondere ein Erfrischungsgetränk sollten Sie auf dieser Wanderung dabei haben. Auf diesem „Eselspfad“ hören wir unvermittelt Motorenlärm. Zwei Quads schaffen es tatsächlich von der einen zur anderen Faja.
Überwältigt sind wir von dieser Faja. Ein kleines Paradies liegt vor uns. Sich das Leben der Bewohner in früheren Zeiten vorzustellen, fällt schwer. Ohne Strom, ohne Telefon, ohne ärztliche Versorgung, kein Kindergarten, keine Schule. Die Küste vor der Faja haben längst Surfer für sich entdeckt. Die Wellen sorgen für beste Surfbedingungen. Im See der Faja gedeihen - einzigartig auf den Azoren - Herzmuscheln (in manchem Reiseführer Venusmuscheln oder Kreuzmuster-Teppichmuscheln genannt). Sie stehen unter Schutz und nur in guten Jahren kann eine geringe Anzahl geerntet werden.
Wir kehren zur Faja dos Cubres und unserem Mietwagen zurück. Auf der ER 1-2 fahren wir gen Süden nach Calheta. Diese zweitgrößte Stadt von Sao Jorge ist touristisch uninteressant. Um uns die Beine zu vertreten, besichtigen wir den Hafen und machen einen Rundgang durch die Stadt. Zu entdecken gibt es hier nichts. In Manadas ist die Kirche Santa Barbara sehenswert. Am östlichen Ortsrand führt ein steiles Sträßchen zur Faja das Almas. Hier finden wir am Hafen einen Aussichtspunkt und einen netten Badestrand.
Unsere letzte Station für heute und auf der Insel ist Urzelina. Der hübsche Ort mit einigen Villenneubauten ist einen Spaziergang wert. In der Badebucht nahe des Campingplatzes bei den Windmühlen könnte man es bei gutem Wetter einige Stunden aushalten.
Viele weitere Fajas liegen an der Küste, im Landesinnern gibt es Wanderwege. Manches, was wir mit dem Auto erkundet haben, lässt sich auch erwandern. Der Weg vom Park Sete Fontes zur Ponta dos Rosais; von Norte Grande hinab zur Faja do Ouvidor; von Norte Pequeno zur Faja dos Cubres. Dafür sollten Sie aber mehr Urlaubstage einplanen, als wir zur Verfügung hatten. Ein Besuch von Sao Jorge wird in jedem Fall unvergesslich sein.
Zurück zum Inhaltsverzeichnis Azoren
Autor: Lothar Ebel; Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
|