Lübecks wechselvolle Geschichte
Wenn man heute die kleine und betulich wirkende Stadt Lübeck erlebt, kann man sich kaum vorstellen, dass es einmal eine der bedeutendsten Städte Europas war. Die Grundlage dafür war der Handel, der die Stadt über viele Jahrhunderte zu einer der reichsten Europas werden ließ. Eine große Bedeutung kam dabei auch der Mitgliedschaft und der führenden Rolle Lübecks in der Hanse zu, einer der wichtigsten Handelsvereinigungen, die über mehrere Jahrhunderte zahlreiche Städte in Europa verband. Lübeck spielte vor allem aufgrund der geografischen Lage eine führende Rolle in diesem Verbund.
Heute sind von dieser prachtvollen Vergangenheit praktisch nur die Fassaden geblieben – im wahrsten Sinne des Wortes. Die prächtigen Bürgerhäuser, die öffentlichen Bauten dieser Zeit und natürlich die Kirchen sind das Erbe dieser reichen Hansezeit, mit dem die jetzige Generation Jahr für Jahr zahllose Besucher anlocken kann. Der Tourismus ist damit für die Stadt zu einer ihrer wichtigsten Einnahmequellen geworden.
Die Anfänge Lübecks
Die erste nachgewiesene Siedlung in der Gegend des heutigen Lübeck war eine slawische. Alt-Lübeck wurde im Grenzgebiet der Slawen und Sachsen gegründet, in einem schwer zugängigen Wald- und Sumpfgebiet. Das war Anfang des 9. Jahrhunderts. Damals lebten hier vorwiegend Fischer, Bauern, Handwerker und auch Händler. Die hatten die Siedlung allerdings strategisch ungünstig angelegt, so dass sie oft angegriffen wurde. Schließlich ging Alt-Lübeck im Jahre 1138 nach einem Überfall der Ranen, die auf Rügen lebten, endgültig unter.
Die Gegend lockte jedoch weitere Städtegründer an. Schon fünf Jahre später war es Graf Adolf II. von Schauenburg, der die Vorteile dieses Landstrichs erkannte. Bis zur Ostsee war es nicht weit und der Hügel im Gebiet der heutigen Altstadt schützte vor Hochwasser. So gründete er hier ein Fernhandelszentrum, die Keimzelle der späteren „Königin des Handels“. Lange konnte er sich jedoch nicht daran erfreuen, eine verheerende Feuersbrunst setzte 1157 der Stadt erst einmal ein Ende.
Das die Lage und die Idee aber gut waren erkannten auch andere. So übernahm Heinrich der Löwe den Platz und ließ die Stadt 1159 neu aufbauen. Durch eine großzügige Förderung und das Anlocken neuer Mitbürger aus den verschiedensten Landschaften ließ er Lübeck wachsen und an Bedeutung gewinnen. Der Clou war jedoch die Verlegung des Bistums Oldenburg in die junge Stadt. So wurde Lübeck Bischofssitz und 1173 der Dom erbaut.
Ein Rückschlag entpuppte sich im Nachhinein als großer Vorteil für die Stadt. Heinrich der Löwe hatte Friedrich I. Barbarossa die Gefolgschaft an dessen Italienfeldzug verweigert, den Friedrich schließlich verlor. Ob das an dem Fehlen des „Löwen“ lag ist unklar, doch Friedrich war natürlich sauer und belagerte mit seinen Truppen Lübeck. Heinrich musste die Stadt verlassen, über die nun Friedrich das Sagen hatte. Lübeck schadete das nicht, im Gegenteil, 1188 erhielt Lübeck weitere Ländereien und Fischereirechte.
Anfang des 13. Jahrhunderts herrschten die Dänen 25 Jahre lang über Lübeck. Die wurden aber 1227 entscheidend geschlagen und so konnte die Lübecker Bürgerschaft das zwei Jahre vorher unterzeichnete Dokument nutzen, das die Stadt reichsunmittelbar wurde und nun direkt dem deutschen Kaiser unterstand. Damit erstarkte die Kaufmannschaft enorm, zumal Lübeck wegen seiner wichtigen Lage auch unter dem Schutz des Papstes stand.
Die Blütezeit Lübecks als Hansestadt
Die starke Kaufmannschaft Lübecks hatte natürlich ein enorm großes Interesse daran, den Handel möglichst störungsfrei ablaufen zu lassen. Die Stadt hatte sich als idealer Handels- und Umschlagplatz erwiesen – vorrangig für das Gebiet der Ostsee aber auch weit darüber hinaus. So schlossen sich die Kaufleute mit anderen zusammen, die Handelsvereinigung Hanse war geboren. Wegen der strategisch perfekten Lage und der Vorreiterrolle übernahm Lübeck die Führung der Hanse, die schließlich rund 200 Städte umfasste.
Der Arm der Hanse reichte weit, Mitglieder waren Städte in den Niederlanden, Dänemark, im Baltikum u.a. Doch nicht nur Ostseestädte gehörten zum Bund der Hanse, auch Städte im Binnenland hatten sich ihr angeschlossen. So waren z.B. Köln, Frankfurt und Magdeburg dabei. Die Mitglieder profitierten enorm von diesem Bündnis und besonders Lübeck als führende Stadt befand sich auf dem Höhepunkt der Hanse auf gleichem Niveau wie solche bedeutenden Städte Florenz, Rom oder Pisa.
Der Reichtum der Lübecker Kaufmannschaft war auch im Stadtbild zu sehen. Neben den prächtigen Bürgerhäusern entstanden nicht minder prächtige Kirchen, Stadttore und das Rathaus. Die Söhne der Kaufleute waren auch in Bezug auf die Bildung privilegiert, sie genossen eine hervorragende Ausbildung und erweiterten ihren Horizont auf Reisen. Dies und die Möglichkeit, führende Köpfe in die Hansestadt zu holen, die auf vielen Gebieten Hervorragendes leisteten, sind die Grundpfeiler des Erfolgs. Einer dieser Pfeiler waren die Koggen, die Handelsschiffe der Hanse, die zur damaligen Zeit eine technische Höchstleistung waren. Die wendigen Schiffe konnten bis zu 200 Tonnen Fracht laden.
Etwa aller drei Jahre fand der sogenannte Hansetag statt, ein Treffen der Mitglieder, auf denen politische und rechtliche Fragen geregelt wurden. Lübeck als führende Stadt übernahm meist die Organisation und war auch die einzige Stadt, die an allen diesen Handelstagen teilnahm. Doch trotz aller dieser Erfolge und des Reichtums gab es Unzufriedene und Benachteiligte. Vor allem Handwerker hatten unter Steuererhöhungen zu leiden. Es kam mehrmals zu Aufruhr und neben diesen Problemen hatten die Bewohner der Stadt auch mit mehreren großen Pestepidemien zu kämpfen. Den Todesstoß versetzte dem mächtigen Bündnis der Hanse jedoch die Entdeckung Amerikas. Die Ostsee verlor durch neue Handelswege enorm an Bedeutung und England sowie die Niederlande wurden neue starke Seemächte. Schließlich löste sich die Hanse 1669 endgültig auf.
Lübeck nach der Hanse bis zum Deutschen Kaiserreich
Der letzte Abschnitt vor diesem Ende der Hanse war eine bewegte Zeit. Die Reformation hatte durch Martin Luther einiges in Bewegung gesetzt und auch Lübeck konnte sich nicht heraushalten. Der Rat der Stadt wollte weiterhin am katholischen Glauben festhalten, doch die Bürger boykottierten das mit dem „Singekrieg“. Sobald die Geistlichen in Latein predigten sangen die Gemeindemitglieder verbotene Lieder. Schließlich wurde ein Ausschuss gegründet, der 1530 den evangelischen Glauben in Lübeck zementierte.
Die Differenzen zwischen den Katholiken und den Protestanten führten in Deutschland schließlich zum Dreißigjährigen Krieg, der 1618 begann und erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 endete. Der Versuch Lübecks, sich aus diesem Krieg heraus zu halten scheiterte. Mehrmals wurde die Stadt geplündert, sowohl durch die Katholiken aber auch durch die Protestanten, auch Zahlungen der Stadt halfen nichts. Der einzige Lichtblick war, dass Lübeck nach dem Westfälischen Frieden seine Reichsfreiheit behielt.
Finanziell sah es für die Stadt aber ziemlich trostlos aus, der Handel kam fast zum Erliegen und die neuen Seewege trugen dazu bei. Auch im Spanischen Erbfolgekrieg und im großen Nordischen Krieg bat man die Stadt „zur Kasse“. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ging es wieder etwas bergauf, auch durch berühmte Persönlichkeiten, die in Lübeck wirkten. Dietrich Buxtehude, Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach halfen Lübeck und belebten die Musikszene, eine Zeitung entstand, ein Theater sowie mehrere wohltätige Einrichtungen.
Über längere Zeit hatte es Lübeck verstanden, sich aus Kämpfen heraus zu halten. Die Stadt war neutral oder konnte mit viel Geld Auseinandersetzungen fernhalten. Mit Napoleon endete jedoch die Phase. Die Preußen waren nach der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt mit 20.000 Mann in die Stadt eingezogen und wollten die erschöpften und hungernden Leute hier versorgen lassen. Wenige Stunden später standen aber 53.000 Franzosen vor Lübeck und erstürmten es. Bis zur Niederlage Napoleons 1813 war Lübeck besetzt und musste Tribut zahlen.
Nach der Vertreibung der Franzosen wurde Lübeck eine der vier freien Städte im Deutschen Bund, 1866 trat es dem Norddeutschen Bund bei. Mit dem Sieg Deutschlands gegen Frankreich 1870/71 und der Gründung des Deutschen Reiches wurde die Stadt Gliedstaat des Kaiserreiches. Um diese Zeit begann auch die Industrialisierung, die Lübeck zahlreiche technische Neuerungen brachte und die Einwohnerzahl auf über 100.000 steigen ließ.
Lübeck vom 20 Jahrhundert bis heute
Der verlorene 1. Weltkrieg sowie die Weltwirtschaftskrise brachten auch den Lübeckern harte Zeiten. So verwunderte es nicht, dass Lübeck eine der Städte war, in denen die Nationalsozialisten ihre größten Erfolge feierten. Die Quittung bezahlte sie im 2. Weltkrieg, als die Stadt bombardiert wurde und viele der wunderschönen Gebäude in Trümmer fielen. Trotzdem kam die Hansestadt noch glimpflich davon, denn zum Ende des Krieges erreichte der Präsident des Roten Kreuzes, dass Lübeck zum Umschlagplatz für Hilfsgüter für britische Kriegsgefangene wurde und deshalb von weiteren Bombardierungen verschont war.
Bis in die 50er Jahre litt Lübeck aber noch an den Folgen des Kriegs, rund 20 % der Altstadt waren zerstört. Heute ist davon glücklicherweise nicht mehr viel zu spüren, die historische Altstadt wurde wieder zu einer der schönsten Städte Deutschlands. Dazu trug auch die Lage Lübecks bei, das im Grenzgebiet zur Sowjetischen Besatzungszone und später der DDR lag. Dadurch erhielt die Stadt umfangreiche Mittel aus dem Budget der sogenannten „Zonenrandförderung“.
Nach dem Krieg und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gab es auch Versuche mit Hamburg und Bremen gleich zu ziehen und die ehemalige freie Reichsstadt Lübeck ebenfalls zu einem eigenen Bundesland zu erheben. Dieses Anliegen scheiterte jedoch mehrmals, zuletzt 1956 vor dem Bundesverfassungsgericht. Sicher war das kein Fehler, denn die kleine Stadt Lübeck hätte sich als eigenständiges Bundesland wohl kaum lange „über Wasser halten können“.
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Autor: Michael Nitzschke, Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
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