Hurtigruten Tag 6: Hammerfest - Havösund - Honningsvag (Nordkap) - Mehamn
"Schlafen kannst du im Süden", sagt man in Nordnorwegen. Aber ob man deshalb den 6. Hurtigrutentag mit einem Kraftakt beginnt und schon um 5:15 Uhr aus den Federn sein muss, um das Anlegemanöver in der nördlichsten Stadt der Welt nicht zu versäumen, sei jedem selbst überlassen. Da aber Hammerfest südgehend zur Mittagszeit angelaufen wird, kann man sich ohne Gewissensbisse noch einmal zur Seite drehen. Hammerfest läuft einem nicht davon. Man hat ja Urlaub, der blöde Wecker bimmelt einen im Alltag schon wieder früh genug aus den Federn. Außerdem steht heute das Nordkap, Traumziel vieler Nordlandreisenden, auf dem Programm. Also Grund genug, den Tag ausgeruht zu beginnen.
In der Nacht hat das Schiff Öksfjord angelaufen, den ersten Hafen in der Provinz Finnmark, der größten und nördlichsten des Landes. Vieles wird anders an der Grenze von Troms zur Finnmark. Das Landschaftsbild wechselt langsam von hohen Bergen zu weiten Hochflächen und Tundra. Die Küste bleibt jedoch faszinierend und zerrissen wie auf der ganzen bisherigen Reise. Auch die Rolle der Hurtigrute ändert sich in der Finnmark. Von den insgesamt 34 Anlaufstationen liegen allein 11 in dieser Provinz. Je nördlicher der Hafen, um so wichtiger wird die Fracht, um so mehr Menschen warten auf die tägliche Ankunft der Schiffe. Viele kommen zur Anlegestelle, warten aber weder auf Fracht noch auf Passagiere. Auch geht man nicht an Bord, man kommt einfach um einen Hauch von weiter Welt zu schnuppern.
Um 6:45 Uhr verlässt das Schiff Hammerfest und nimmt zielstrebig Kurs auf Havöysund. Kurz vor der Ankunft kommt es zwischen den Inseln Hjelmsöy und Havöy zur morgendlichen Hurtigrutenbegegnung. Einmal lang, einmal kurz und noch einmal lang, so grüßt bei allen Begegnungen die nordgehende mit dem Signalhorn zuerst, dann antwortet die südgehende im selben Rhythmus. Eine schöne Geste mit Tradition, die nach Einbruch der Dunkelheit mit Scheinwerfern vollzogen wird. Passagiere und Mannschaft der beiden Schiffe winken sich gegenseitig zu, auf dem Küchendeck werden häufig weiße Tischdecken geschwenkt. Nicht selten arbeiten Freunde, Kinder oder Eltern, Ehepartner oder einfach die große Liebe an Bord des anderen Schiffes. Immerhin haben 650 Menschen auf den 11 Schiffen ihren Arbeitsplatz.
Auf der Nordseite der Insel Hjelmsöy liegt der größte Vogelfelsen Europas für Tordalken und Trottellummen. Hier leben etwa 250.000 Vögel. Leider fährt die Hurtigrute nicht so weit hinaus, die Insel wird vom Schnelldampfer südlich passiert. Steuerbords umfahren wir die Ostspitze der Insel Havöy. Auf deren Südseite liegt dann, sozusagen gleich um die Ecke, der Hafen von Havösund.
Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der Ort nur 150 Einwohner, danach haben im Laufe der Zeit viele Menschen die umliegenden Inseln verlassen. Heute ist Havösund mit annähernd 1.700 Einwohnern das Zentrum der Inselgemeinde Masöy. Seit einigen Jahren ist der Ort über eine Brücke mit dem Festland, sowie einer wintersicheren, 82 km langen Stichstraße zur A6 mit dem Hauptstraßennetz des Landes verbunden. Mögen solche Verkehrswege für die Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung in den größeren Fischerorten des hohen Nordens auch noch so wichtig sein, für den Lebensunterhalt der Bewohner sorgt nicht das Hinterland. Lebensgrundlage sind immer noch die reichen Fischbestände im Nordmeer, die an Land zahlreiche Arbeitplätze schaffen.
Zwischen dem kurzen Aufenthalt in Havöysund und der Ankunft in Honingsvag liegen etwa zwei Stunden. Der Schnelldampfer verlässt seinen bisherigen, hauptsächlich nach Norden ausgerichteten Kurs und schwenkt nach Osten, passiert backbords die Insel Masöy und bei gutem Wetter kann man in der Ferne schon die Nordkapinsel Mageröy erkennen.
Die Hurtigrute befindet sich in aristokratischem Fahrwasser. Louis Philippe von Orleans, der spätere König Frankreichs, war während seiner Nordkapreise 1793 auf der Insel Masöy beim Kaufmann Buch zu Gast. Louis Philippe war in diese ferne, einsame Gegend geflüchtet, da in seiner Heimat nach seinem Leben getrachtet wurde. Seine Flucht machte den Prinz zu einem der ersten Nordkaptouristen.
80 Jahre später kreuzte der schwedisch-norwegische König Oscar II. bei einem Besuch des Nordkaps in diesen Gewässern. Diese Reise, über die viel gesprochen wurde, war die beste Werbung für Fahrten in das Land der Mitternachtssonne; Wenige Jahre nach dem Besuch des Königs begannen die Touristenschiffe regelmässig Fahrten zum Nordkap zu veranstalten.
Früher gingen die Schiffe, darunter auch die Hurtigrute, unterhalb des Nordkaps vor Anker und die Passagiere mussten auf das 307 m hohe Nordkapplateau über mehr als 1000 Stufen hinaufsteigen. Vor den Anblick der Mitternachtssonne - wenn sie denn zu sehen war - hatte Neptun den Schweiß gesetzt. Heute geht es einfacher. Die Hurtigrute erreicht Honningsvag, mit 2800 Einwohnern die Hauptstadt des Nordkaps, zur Mittagszeit. Der Abstecher zum Nordkap erfolgt dann mit dem Bus bequem über eine 34 km lange Straße.
Nun steht man also am Nordkap. 71° 10' 21'' nördlich des Äquators, 2.080 km vom Nordpol entfernt, aber immer noch nicht am nördlichsten Punkt Europas. Dieser Punkt ist eine kleine Spitze auf 71° 11' 8'', die westlich des Plateaus herausragt. Dorthin gelangt man allerdings nur zu Fuß.
Heutzutage ist das Nordkap touristisch voll erschlossen. Es gibt die Nordkaphalle mit einer 225° ausgerichtete Multivisionsschau welche auf einer Superleinwand das Nordkap und die Finnmark zu allen Jahreszeiten zeigt und den Besucher bei Sauwetter ein kleinwenig seine Endtäuschung vergessen lässt. Dann natürlich ein Restaurant, ein Andenkenladen und eine in den Fels gehauene Panoramagrotte mit Aussicht über das Nordmeer. Man kann Briefmarken kaufen und sie mit einem Sonderstempel versehen lassen. Es gibt eine ökumenischen Kapelle für alle Glaubensrichtungen in der man beten, oder einfach etwas Ruhe finden kann vor dem Trubel um das Nordkap, an dem die Mitternachtssonne vom 13. Mai bis 29. Juli scheint.
Von ganz besonderem Reiz, ohne die sommerlichen Massen, dürfte der Besuch des Nordkaps aber im Winter sein. Denn der Nordkapausflug wird mittlerweile auf der Hurtigruten ganzjährig angeboten. Na, wenn das kein Grund ist für eine Winterreise! Bevor wir das Thema Nordkap verlassen, noch ein kleiner Hinweis, der die gewaltige Nord-Südausdehnung Norwegens vor Augen führen soll. Würde man das Land um sein Südspitze herum nach Süden drehen, dann würden wir uns jetzt in der Nähe von Rom befinden.
Ein weiterer Hurtigrutenausflug trägt den Interessen der Vogelfreunde Rechnung. In den Sommermonaten geht es zunächst mit dem Bus zur kleinen Fischersiedlung Gjesvaer, die im Westen der Nordkapinsel liegt. Dort steigt man um in ein Boot und macht sich auf zur Beobachtung der Vogelwelt Nordnorwegens. Nur im Winter wird ein Busausflug angeboten, der, je nach Wetterlage zu verschiedenen kleinen Fischerdörfern führt. Man erfährt etwas über den Alltag der Fischer und die Geschichte der Fischerei. Oder man kann, ebenfalls nur im Winter, unter Begleitung des Reiseleiters 1,5 Stunden durch Honningsvag bummeln.
Wenn aber jemand auf all diese Angebote verzichten möchte, hat er dennoch keine Langeweile. Honningsvag ist die größte Fischereisiedlung in der West-Finnmark und im Hafen ist immer etwas los. Fotomotive gibt es in Hülle und Fülle. Für einen kleinen Rundgang durch den Ort begibt man sich vom Hurtigrutenkai zunächst nach rechts in die Havne-, dann Fisker- und Radhusgate. So gelangt man, den Hafen und die Hurtigrute immer im Blick, zur Kirche. Sie wurde 1884 erbaut und hat als einziges Bauwerk des Ortes den Zweiten Weltkrieg überstanden; Allein diese Tatsache ist einen Abstecher wert.
Lässt man die Kirche hinter sich, führt die Kirkegata und der Prestevannsveien in leichter Steigung den Hang hinauf. Als Belohnung für diesen kleinen Spaziergang hat man einen schönen Blick auf den Hafen, "sein" Schiff und einen grossen Teil des südöstlichen Küstenverlaufes der Nordkapinsel. Ohne Schwierigkeiten - alles ist überschaubar, verlaufen kann man sich nicht - gelangt man zurück zum Hurtigrutenkai. Von dort (nach links) sind es nur wenige Meter bis zum Nordkap-Museum welches die Geschichte des Fischfangs und des Nordkaptourismus erläutert.
Verlässt der Schnelldampfer den Hafen von Honningsvag, schützen bis zur Rückkehr am übernächsten Morgen keine Inseln und Schären mehr die Fahrrinne der Hurtigruten. Das Meer kann sich ungehindert austoben und nützt diese Gelegenheit auch leidlich. Hier im Nord- und Ostmeer liefern sich die Hurtigrutenschiffe die meisten und schwersten Kämpfe mit den Naturgewalten. Wohl dem, der gutes Wetter hat. Wer aber einmal einen Orkan auf einem Schnelldampfer überstanden hat, wird diese Stunden sein Leben lang nicht vergessen. Das Wissen um die Zuverlässigkeit der Schiffe und die Erfahrung der Mannschaft machen ein solches Ereignis zu einem einzigartigen Erlebnis (siehe auch Tagebuch des 11. Tages).
Nächster Hafen ist Kjöllefjord. Auf dem Weg dorthin überquert der Dampfer die 19 km breite Mündung des mächtigen 120 km langen Porsangerfjords. Dann wird mit dem Svaerholtklubben einer der größten Vogelfelsen der Welt passiert, es folgt die 22 km breite Mündung des Laksefjords. An seinem Ufer liegt die große Halbinsel Nordkyn, die mit einer "Landbrücke" von etwa 1 km Breite gerade noch mit dem Festland verbunden ist. Im Nordwesten schneidet der Kjöllefjord, an dessen Ende die gleichnamige Ortschaft liegt, tief in die Halbinsel ein. Die schöne Einfahrt in den Fjord wird auf der Steuerbordseite von der Finnkjerka (Finnkirche), einer der schönsten Meeresklippen des Landes, flankiert.
Bevor am Abend mit Mehamn der vorletzte Hafen des Tages erreicht wird hat die Hurtigrute mit Kinnarodden den nördlichsten Punkt der Nordkynhalbinsel und somit auf 71° 8' 0'' den nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes passiert. Kinnarodden ist ein markanter Felsvorsprung, der sich mit tiefen Spalten mehr als 200 m aus dem Meer erhebt. Dorthin führt allerdings keine vernünftige Straße. Dort gibt es keine Multivisionsschau, keinen Andenkenladen, keinen Sonderstempel und last but not least, noch nicht mal ne Würstchenbude! Also was soll man dort? Hier gibt es noch jede menge Arbeit für Touristikmanager.
Erwähnt sei noch, dass es in Mehamn das nördlichste Hotelzimmer auf dem europäischen Festland gibt, Berlevag der letzte Hafen des Tages ist und der Schnelldampfer mittlerweile den Kurs auf südost geändert hat. Erschöpft von den Eindrücken des Tages, harren wir der Dinge, die Morgen kommen werden.
Manfreds Reisetagebuch
Sonntag, den 08. März 1992
Endlich Sonnenschein. Sonntagswetter! Nach Hammerfest noch Schneeschauer, in die aber schon die Sonne scheint. Je näher wir Havöysund kommen um so besser wird das Wetter.
An Deck entdecke ich einen neuen Passagier. Zwei 6x6 Rolleis um den Hals. Dagegen kann ich formatmäßig mit meiner Rollei 2000 nicht anstinken. Er spricht mich an: Profi? Wie kommt er auf so ne Frage? Na wegen der 2000 und den Zeissobjektiven. Mit dem Zeug rennt ja nicht jeder rum. Ich muss ihn enttäuschen, alles mühselig erspart und nur Spaß an der Freude. Und er? Zwei sündhaft teure 6x6 Rolleis hat ja auch nicht jeder. Profi! Hat einen Auftrag zu erledigen. Allerdings fährt er nur bis Honnigsvag mit, übernachtet dort und fährt dann am nächsten Morgen mit der Südgehenden wieder nach Hammerfest. Wir wünschen uns gegenseitig gutes Wetter.
In Havöysund, direkt gegenüber der Anlegestelle, Verkauf von handgestrickten Norwegerpullis, Handschuhen und Mützen. Die meisten Teile hängen über dem Gartenzaun. Zwei ältere Damen managen das Ganze. Chris hat uns erzählt, dass sich die Frauen des Ortes an den langen Winterabenden zusammen tun um diese Strickwaren anzufertigen und damit ihr Haushaltsgeld etwas aufbessern.
Als wir Havöysund verlassen, so gut wie keine Wolke mehr am Himmel. 30 Minuten später von Chris eine Lautsprecherdurchsage: "Guten Morgen meine Damen und Herren, weil heute Sonntag ist, die Sonne scheint und der Kapitän gute Laune hat, kehrt das Schiff nach Havöysund zurück um einen Passagier abzuholen, der vergessen hat rechtzeitig wieder an Bord zu sein". Peinlich, peinlich!
Ich mache mich auf die Suche nach Henry, ihm würde ich so ein Missgeschick durchaus zutrauen. Aber er sitzt, Gott sei dank, im Panoramasalon (bei diesem Wetter!) und liest wie immer. In Havöysund hängt natürlich alles an der Reling um zu sehen wer der Unglücksrabe ist. Mit dieser Aktion hat sich die Midnatsol eine ordentliche Verspätung eingefangen. Dementsprechend später kommen wir in Honningsvag an. Für einen Bummel reicht die Zeit noch. Mein besonderes Augenmerk: der Hafen mit seinen zahlreichen Fischerbooten. Motive ohne Ende.
Claus und der Schnupftabak, die Sache hat sich erledigt. Er versucht noch die geschnupfte Menge schön zu reden. Aber mit Abgewöhnen ist es auf jeden Fall mal nix.
Montag, den 09. September 1996
Früh aus den Federn. Dichter Nebel. An Deck joggt, wie jeden Morgen, eine Amerikanerin so Mitte 30. Bei Wind und Wetter in kurzen Hosen und T-Shirt. Im Bugsalon schläft mal wieder die Schweizerin. Beim ersten Mal dachte ich an Ehekrach. Aber es ist "nur" Platzangst, welche sie in fast jeder Nacht früher oder später aus der Kabine treibt.
Nach Auflösung des Nebels meist regenschwere Wolken am Himmel, die aber Hemmungen haben, sich zu öffnen. Sicht ganz ok. Auf den Ausflug zum Nordkap verzichten wir aber. Statt dessen Bummel durch Honningsvag. Schöne Aussicht von der Anhöhe. Beim Abendessen wollen Ise, Ute und die rheinischen Frohnaturen keine Suppe.
So etwas macht das Serviceteam im Speisesaal aber total nervös. Das hab ich schon bei der ersten Reise gemerkt. Turid ist erschüttert und fragt ob das Essen denn nicht schmecken würde. Das Essen ist super, aber für manchen am Abend einfach zuviel. Kaum haben wir Turid beruhigt kommt Arne - der Chef - und fragt auch noch mal ob wirklich alles in Ordnung ist. Auch ihn beruhigen wir, alles super, alles god smake!
Später wird am Nachbartisch das Dessert mit Brimborium und Wunderkerzen serviert. Eine Stuttgarterin wird 18. Unsere rheinische Frohnatur ist total aus dem Häuschen, so was will sie auch am Tisch haben. Wir müssen sie allerdings enttäuschen, von uns hat in den nächsten Tagen keiner Geburtstag. Wenn sie wüsste, daß wir übermorgen unseren 25. Hochzeitstag haben und wir nicht gedenken das an die große Glocke zu hängen, würde sie der Schlag treffen. Nach dem Essen Film über die Weihnachtsreise. Ute ist begeistert. Von einer Winterreise war sie bisher nicht zu überzeugen. Aber Weihnachten... Eines Tages!
Sonntag, den 13. Februar 2000
Den ganzen Tag bedeckter Himmel, aber meist ein seltsam warmes Licht über der tief verschneiten Landschaft. Auch in Honigsvag viel Schnee. Im Hafen überraschend wenig Fischerboote. Ich mache mich auf den Weg zur Landzunge Klubben. Hurtigrutenkai rechts um, am Hafen entlang und dann in die Fiskergata. An deren Ende geht es weiter durch tiefen Schnee, bis über die Knie versinkend erreiche ich meinen Fotostandpunkt am Wasser. Von dort aus, über die Hafeneinfahrt, der Blick zur steilen Südküste der Nordkapinsel. Weit im Süden kann man mit der Porsanger Halbinsel das Festland erkennen.
Beim Abendessen sorgt Rudolf, Chef de Service, für Stimmung. Mit Wikingerhelm oder verschiedensten Perücken ausgestattet stolpert er über nicht existierende Hindernisse. Dinner for sixteen! Nicht nur Rudolf, sondern die gesamte Mannschaft genießen die Fahrt mit so wenigen Passagieren. Das ganze Schiff strahlt eine wunderbare Ruhe aus.
Heute Abend sitzen alle Rundreisepassagiere gemütlich im Panoramasalon. Ruedi hat sich zu der gemischten Gruppe aus dem Raum Duisburg gesellt und spielt Karten. Claus liest mal wieder in "Choral am Ende der Reise" von Fosnes Hansen, einem Norweger. Es handelt vom Untergang der Titanic. Er hat es schon bei seiner letzten Reise angefangen, zu Hause dann aber liegen gelassen. Er behauptet, so ein Buch kann man nur auf einem Schiff lesen.
Zur lesenden Zunft gehören noch zwei Frauen aus Österreich und sogar ich bin heute Abend mit meinem Krimi "Das Haus mit der grünen Tür" etwas weiter gekommen. Wie es sich gehört von einem norwegischen Autor, Gunnar Staalesen. Das ganze spielt in Bergen. Ansonsten hab ich es, ganz im Gegensatz zu meinen sonstigen Gewohnheiten, nicht so arg mit dem Lesen. Mit einem Buch vor Augen, habe ich hier immer das Gefühl etwas zu versäumen. Und so zieht es mich auch am heutigen Abend des öfteren hinaus in die Dunkelheit. Ich halte Ausschau nach blinkenden und kreisenden Leuchtfeuern, suche den Mond und hoffe (vergeblich) auf Nordlicht. Letzteres ist das Einzige, was zum perfekten Glück des Tages noch fehlt.
Dienstag, den 30. März 2004
Jetzt ist es richtig Winter geworden. In Hammerfest Schnee und wolkenloser Himmel vor meinem Bullauge. Somit um 6.15 Uhr aus der Koje und an Land Füße vertreten. Vor schöner Kulisse verlassen Fischerboote den Hafen; Nach dem Ablegen bewölkt sich der Himmel, aber immer wieder kommt die Sonne durch. So bleibt es den ganzen Tag. Zwischen Hammerfest und Havöysund Besuch auf der Brücke. Kurz vor Havöysund Begegnung mit der MS Nordlys. Im Mageröysund bilden die schroffen, von Schneeflächen durchzogenen Felsen der Nordkapinsel teilweise sehenswerte Kunstwerke in grau und weiß.
Sehr schöne Anfahrt auf Honningsvag. Der Anblick des Hafens ist allerdings eine kleine Enttäuschung, in Sachen Fischerboote ist nicht gerade der Bär los. Ich glaube das wird immer weniger. Für eine Fahrt zum Nordkap habe ich mich nicht entscheiden können, seltsamerweise zieht es mich dort einfach nicht hin. Vielleicht beim nächsten Mal. Statt dessen wandere ich auf die Anhöhe. Dort wo die Straße endet, wird es trotz Wanderschuhen schwierig. Entweder ist es unter einer dünnen Schneedecke spiegelglatt, oder man versinkt bis über die Knie in Schneeverwehungen. Aber für die Aussicht hat sich die Mühe gelohnt. Als ich wieder an Bord komme brennt mein Gesicht, habe mir den Tag über einen leichten Sonnenbrand geholt.
Auf der Fahrt nach Kjöllefjord bedeckter Himmel aber ruhige See. Als wir in Kjöllefjord ablegen kommt wieder die Sonne durch und wenig später zeigen sich die Klippen der Finnekjerka im abendlichen Gegenlicht. Auf der Steuerbordseite sind die Felsen der Nordkynhalbinsel von der untergehenden Sonne orangerot gefärbt. Toll!
Claus hat von diesem Anblick nicht all zu viel, vorlaut wie er ist, hat er sich Arbeit an den Hals geredet. Im Bugsalon werden neue Vorhänge aufgehängt, Claus bietet großmütig seine Hilfe an und schon sitzt er da und hängt Häkchen in Schleifchen. Für jeden Vorhang je 8 Häkchen oben und unten. 10 Schleifen bleiben frei, die elfte wird bestückt. Also zählen muss er auch noch und das bei 24 Vorhängen. Eine der Engländerinnen erbarmt sich und greift im hilfreich unter die Arme.
Natürlich haben sich die Aktivitäten von Claus beim Bordpersonal herum gesprochen; Er wird beim Abendessen von Ragnhild und Merete noch zuvorkommender als sonst bedient. Sogar "Carlson vom Dach" verliert etwas von seiner Zurückhaltung.
Weihnachten an Bord: Dienstag, den 21. Dezember 2010
Wir entwickeln uns zu Langschläfern. Wieder erst um 8 Uhr aus der Koje gekommen. Wieder klarer Himmel, aber jetzt merkt man doch die nördlichen Breitengrade, das Dämmerlicht ist dunkler und kürzer geworden. Aber von absolut dunkler Polarnacht kann über einige Stunden dennoch keine Rede sein.
Um 10 Uhr Besuch auf der Brücke. Wir sind nur 6 Personen, somit gibt es kein Gedränge. Während der 2. Steuermann den automatisch gesteuerten Kurs im Auge behält, erläutert uns der Kapitän die Gerätschaften. Und wie bei jedem Besuch auf der Brücke betont der jeweilige Kapitän, dass man auch ohne Radar und GPS auf Kurs bleiben kann und in jeden Hafen kommt, aber nicht ohne Kaffeemaschine. Soll heißen: Das Teil ist das wichtigste „Instrument“ auf der Brücke. Ute stellt die Frage, wie denn die voraus gegangenen Fahrt der Nordlys verlaufen ist. Da habe es doch südgehend in der Finnmark so getobt, dass der Fahrplan durcheinander geraten sei und einige Häfen nicht angelaufen werden konnten.
Kapitän und Steuermann stutzen und wundern sich, wie wir zu diesen Informationen kommen. Denn tatsächlich wurde das Schiff ordentlich von Stürmen durchgeschüttelt. Allerdings, so der Kapitän, sind Stürme und Orkane seltener das wirkliche Problem eines Hurtigrutenschiffes, problematisch ist einfach bei solchen Bedingungen in den Hafen zu kommen. Als wir die Brücke verlassen, muss uns im Auftrag von Kapitän und Steuermann der Reiseleiter noch einmal fragen, wie man in Deutschland an solche detaillierte Informationen über die Hurtigruten kommt. Denn auch ihm ist nicht bekannt, dass es in Deutschland Foren gibt, in denen man alles, aber auch alles über die Hurtigruten erfährt.
Um 11:45 Uhr laufen wir pünktlich in den Hafen von Honningsvag ein. Mittlerweile ist der Himmel bis auf wenige Wolkenlücken bedeckt, es herrscht aber immer noch schwaches Dämmerlicht. Nach dem Mittagessen, den Ausflug ans Nordkap haben wir uns geschenkt, starten wir so gegen 13 Uhr zu einem kleinen Bummel durch den Ort. Es ist immer noch nicht ganz dunkel, erst gegen 14 Uhr ist das letzte Dämmerlicht erloschen. Trotz, oder gerade wegen der Dunkelheit, Fotomotive in Hülle und Fülle.
Zwei Stunden nach dem wir die Nordkapinsel und Honningsvag verlassen haben passiert um 17:15 Uhr die Nordlys mit gedrosselter Geschwindigkeit die Klippen der Finnkjerka. Diese werden neuerdings in wechselnden Farben angeleuchtet. Gesteuert wird das Szenario vom Schiff aus und auf Deck 7 erklingen dazu aus dem Bordlautsprecher samische Joik's (*). Über allem steht der volle Mond und taucht die restliche Steilküste in diffuses Licht und unterstreicht die märchenhafte Stimmung.
Als die Lichter an der Finnkjerka erloschen sind, nähert sich ein Boot und geht für kurze Zeit längsseits. Mit diesem Boot werden Königskrabben an Bord gebracht und auf Deck präsentiert. Sind schon „niedliche“ Tierchen. Zum Abendessen heute kein serviertes Menü, sonder Fischbuffet. Wir knien uns mächtig rein!
Anschließend der schon fast obligatorische Besuch in der Bar. Heute werden zunächst Weihnachtslieder gespielt. Ein Großteil der Engländer singt mehrstimmig und kräftig mit. Da waren einige schöne und offensichtlich Chorgesang erprobte Stimmen dabei. Ein schöner Abschluss für einen erneut schönen Tag auf der Hurtigruten.
(*) Wir hatten natürlich keine Ahnung was ein Joik ist. Deshalb holen wir uns an der Schiffsrezeption einen Zugangscode für einen der drei Computer auf Deck 4 um uns im Internet schlau zu machen. Demnach ist ein samischer Joik eine Art Jodeln, das aus rhythmisch gesungenen Gedichten oder poetischen Liedern besteht. Aha!!! Soweit so gut, aber wie gejodelt ist uns das nicht vorgekommen.
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Autor: Manfred Hofmann; Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
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