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Rund um die Halbinsel Snæfellsnes
Die Halbinsel Snæfellsnes gehört meistens nicht zu den touristischen Höhepunkten der Island-Touren, oft wird um sie sogar ein Bogen gemacht. Leider, wie wir finden, denn bei unserer Erkundung dieser Gegend erlebten wir wunderschöne beeindruckende Landschaften und bezaubernde kleine Orte. Sicher steht die Halbinsel immer etwas im Schatten der bekannteren Sehenswürdigkeiten und Gegenden Islands. Wenn die Möglichkeit besteht, würden wir aber Jedem empfehlen, einen Abstecher hierhin zu unternehmen.
Unzweifelhaft das Highlight der Halbinsel ist der Nationalpark Snæfellsjökull mit dem gleichnamigen Vulkan. Der 1446 m hohe mit einem Gletscher bedeckte Berg liegt an der westlichen Spitze von Snæfellsnes. Er gilt als einer der berühmtesten Berge Islands und ist Millionen Menschen bekannt, obwohl das den meisten gar nicht bewusst ist. In Jules Vernes Roman „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ befindet sich genau hier der Einstieg in die Unterwelt.
Stykkishólmur
Unser Quartier auf der Halbinsel Snæfellsnes hatten wir in Stykkishólmur, dem Städtchen an der nördlichsten Spitze der Halbinsel. Mit über 1000 Einwohnern ist es eines der größeren Orte Islands. Die geschützte Bucht eignete sich sehr gut zur Anlage eines Hafens, und so gründete man schon um 1550 eine Handelsniederlassung. Es waren deutsche Kaufleute der Hanse aus Bremen und Oldenburg, die sich hier nieder ließen. In der Zeit der dänischen Herrschaft über Island wurde auch der Handel in Stykkishólmur dem dänischen König unterstellt. Vor allem im 19. und 20. Jahrhundert wuchs der Ort rasch und entwickelte sich zu einem wichtigen wirtschaftlichen Zentrum der Insel.
Von jedem Punkt der Stadt aus und auch weit in die Umgebung hinein zu sehen ist die 1990 geweihte Kirche Stykkishólmskirkja. Der weiß gestrichene Bau aus Beton hat eine bemerkenswerte Architektur, die in moderner und – unserer Ansicht nach – sehr gelungener Gestaltung erfolgte. Das fiel uns an einigen Orten in Island auf – die Isländer haben offensichtlich gute und einfallsreiche Architekten, die außergewöhnliche und im Gedächtnis bleibende Gebäude entwarfen. Besonders Betonkirchen in schlichter aber ansprechender Gestaltung fanden wir auf unserer Tour öfter. Die Stykkishólmskirkja hat ein schlichtes Inneres, jedoch mit einer ausgezeichneten Akustik. In den Sommermonaten werden hier regelmäßig Konzerte durchgeführt.
Weitaus kleiner als die Stykkishólmskirkja ist die 1878 im neoklassischen Stil erbaute Kirche in der Straße Aðalgata. Besonders im Umkreis befinden sich viele historische Gebäude. Das erste zweigeschossige Haus Islands war das Norska húsið, 1828 von einem Unternehmer erbaut, der als Erster regelmäßige Wetterbeobachtungen durchführte, eine Wetterstation einrichtete und die Werte aufzeichnete. Heute befindet sich hier das Heimatmuseum.
Im leuchtend roten Egilshús residiert die Touristeninformation. Das Haus hat eine rege und unterschiedliche Geschichte hinter sich. Die Nutzung wechselte zwischen Wohnhaus, Handelshaus, Bonbonfabrik, Café bis es schließlich der Information der Besucher diente. Interessant fanden wir auch die Apotheke, das Fischrestaurant, das Verwaltungsgebäude der Fischfabrik und auch viele weniger bekannte aber nicht weniger schöne Häuser.
Vom Hafen aus gehen Bootstouren zur Vogel- und Walbeobachtung aufs Meer. Bekannter sind jedoch die Touren von Húsavik und Reykajvik aus, die zum Begriff geworden sind. Vielleicht wäre auch eine Tour von Stykkishólmur erlebnisreich geworden, doch hatten wir darauf verzichtet. Eine Rundfahrt um die Halbinsel erschien uns sinnvoller, zumal es hier großartige Sehenswürdigkeiten und Landschaften zu entdecken gibt. Einen Abstecher ist der Hafen von Stykkishólmur aber allemal wert. Vor allem im Abendlicht ist der Anblick der zahlreichen Boote und auch größeren Schiffe ein Genuss. Direkt am Hafen führt ein Damm zur Insel Súgandisey, auf deren Gipfel der feuerrote Leuchtturm steht. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick auf Stykkishólmur mit der alles überragenden Stykkishólmskirkja.
Vom Hügel mit dem Leuchtturm schaut man direkt auf einen Hügel über dem Hafen, auf dem sich ein außergewöhnliches Gebäude mit einem Flachdach und runder Fensterfront befindet. Es ist die Wasserbibliothek, eine sicher einmalige Einrichtung. Die amerikanische Künstlerin Roni Horn installierte 24 Glassäulen, gefüllt mit Wasser aus verschiedenen Gletschern Islands. Je nach Lichteinfall leuchtet das Wasser in unterschiedlichen Farben. Hier finden öfter kulturelle Veranstaltungen statt.
Von Arnarstapi bis Hellnar
Die Straße rund um die Halbinsel Snæfellsnes führt durch eine wildromantische Landschaft, so dass schon allein eine Autotour den Ausflug lohnen würde. Doch um die Gegend noch intensiver kennen zu lernen und praktisch aus der Nähe zu erkunden, ist es immer gut, auch eine Wanderung zu unternehmen. Außerdem kann man sich dabei auch die Füße vertreten, und das ist nach einer längeren Autofahrt nicht zu verachten.
Wir hatten Arnarstapi, den kleinen Fischerort an der Südküste der Halbinsel, angesteuert um von hier eine Wandertour entlang der Küste nach Hellnar zu beginnen. In Arnarstapi wird auch heute noch Fischfang betrieben, doch der Ort hat sich ebenfalls zum Touristenzentrum entwickelt. Ein Campingplatz und eine Ferienhaussiedlung zeugen davon. Am Parkplatz vor dem Tourist-Gebäude steht eine gewaltige Statue aus Vulkangestein, die Badur den Riesen darstellen soll. Die isländischen Sagen bestehen also doch nicht nur aus Erzählungen von Elfen und Trollen. Badur soll halb Mensch, halb Riese und der erste Siedler der Snæfellsnes-Halbinsel gewesen sein. Nach einigen Untaten aus Rache wurde er unter die Eiskappe des Vulkans Snæfellsjökull verbannt.
Der Hafen von Arnarstapi ist ebenfalls einen Abstecher wert. Geschützt durch eine große Mauer – natürlich aus Lavagestein – liegen die Boote vor dem Hintergrund der Berge von Snæfellsnes. Hier am Hafen beginnt auch der etwa 3 km lange ausgeschilderte Wanderweg nach Hellnar, der laut Reiseführer entlang der Küste verlaufen soll. Das darf man nicht zu wörtlich nehmen, denn große Teile der Strecke führen doch mehr durch das Land hinter der Küstenlinie. Das ändert jedoch nichts am Reiz der ausgesprochen empfehlenswerten Tour.
Dabei hätten wir fast darauf verzichtet, denn der Wind blies an diesem Tag so extrem, dass wir uns beinahe nicht auf den Beinen halten konnten. Die ersten Meter der Tour gehen praktisch an der Kante des Steilufers entlang, also wirklich keine übermäßig gute Voraussetzung für einen stürmischen Trip. Glücklicherweise hatten wir es trotzdem gewagt – und das war gut so. Spätestens als der Weg sich etwas vom Steilufer entfernte und in geschützteren Gefilden verlief, ließ auch der stürmische Wind nach.
Am Rand des Weges war immer wieder Sehenswertes zu entdecken. Das begann mit Islandpferden, die auf der Weide grasten. Dazu kamen zahlreiche Vögel, wie z.B. Regenbrachvögel mit ihren extrem langen Schnäbeln. Neben der Tierwelt faszinierte auch die Landschaft. Die steilen Küstenfelsen, markante Felsformationen im Meer und mehrere Höhlen in der Steilküste ließen die Wanderung in keiner Sekunde langweilig werden. Besonders faszinierend war der Gatklettur, ein großer Torbogen aus Felsgestein. Ein Teil der Strecke führt direkt durch eine Felsenlandschaft, bewachsen mit Moosen, Flechten und Sträuchern. Dieser Abschnitt ist eingezäunt, da die empfindliche Natur hier besonders schutzbedürftig ist. Man sollte also nicht vergessen, die Tore wieder zu schließen.
In Hellnar angekommen, hat man einen sehr guten Blick auf den Vulkan Snæfellsjökull - oder eben auch nicht. Es gelang uns immer nur einen Moment, den Vulkan zu entdecken, nämlich dann, wenn die tief hängenden Wolken einmal etwas aufrissen. Wir konnten uns aber gut vorstellen, welch fantastisches Bild dieser Ausblick an einem sonnigen klaren Tag ergeben muss.
Am Ende des Wanderweges bei Hellnar gibt es eine Gaststätte mit einem Freisitz, der einen vorzüglichen Blick auf die Küstenfelsen bietet und – bei gutem Wetter – auf den Snæfellsjökull. Die Lóndrangar, zwei Felstürme, bilden markante Punkte westlich des Ortes. Es wird vermutet, dass es sich dabei um alte Vulkanschlote handelt. Sie sind Brutplatz vieler Wasservögel. Wir brauchten aber gar nicht zu diesen Felsen, um brütende Vögel zu beobachten. Ein Stück unterhalb der Gaststätte, nahe des Wanderweges, befand sich eine Felsen-Bucht, in deren Wänden zahlreiche Möwen-Nester mit brütenden Dreizehen-Möwen waren. Es erstaunte uns, wie nahe wir an sie herankamen, ohne dass sich die Möwen von uns stören ließen.
Am Snæfellsjökull
Hat man einen besonders klaren Tag erwischt, kann man den Snæfellsjökull, den „Schneeberggletscher“, sogar noch im etwa 120 km entfernten Reykjavik sehen. Der am westlichen Zipfel der Halbinsel Snæfellsness gelegene Vulkan galt lange Zeit als der höchste Berg Islands. Diese Angaben mussten jedoch korrigiert werden, heute ist die genaue Höhe mit 1446 m angegeben. Das ist aber immer noch eine stolze Höhe. Der Snæfellsjökull gilt nicht als einer der besonders aktiven Vulkane Islands, das letzte Mal brach er vor etwa 1800 Jahren aus und so werden Touren auf den Gletscher oder sogar auf den Gipfel angeboten. Wie lange man noch dieses Vergnügen genießen kann, ist fraglich. Auch hier schlägt der Klimawandel zu und Berechnungen sagen aus, dass der Gletscher in ca. 20 Jahren verschwunden ist, falls die Erwärmung wie bisher weiter geht. Dieser Rückgang ist dramatisch, denn immerhin beträgt die Gletscherfläche knapp 12 km² und das Eis ist bis zu 30 m dick.
Möchte man eine Gletscherwanderung mitmachen, wendet man sich am besten an das Besucherzentrum Hellnar im Nationalpark Snæfellsjökull. Das Zentrum ist von Ende Mai bis Mitte September geöffnet. Der Park mit dem Vulkan im Mittelpunkt wurde im Jahre 2001 eröffnet und erstreckt sich über 167 km² von Hellnar im Süden bis Hellissandur im Norden.
Will man nah an den Gletscher heran kommen ohne eine geführte Tour mit zu machen, kann man die Verbindungsstraße 570 fahren. Sie zweigt etwa 3 km vor Arnarstapi ab und führt teilweise in unmittelbarer Nähe des Snæfellsjökull direkt in Richtung Norden. Hier trifft sie kurz vor Òlafsvik wieder auf die Rundstraße 574. Allerdings ist diese Strecke alles andere als einfach zu bewältigen, selbst mit Allradantrieb. Hat man einen normalen PKW, ist das Unterfangen ziemlich riskant. Wir hatten es gewagt und waren in Richtung Snæfellsjökull gestartet. Nach ca. 4 km hatten wir aber kapituliert. Auf der schmalen Schotterpiste, die sich in starken Steigungen und mit vielen Schlaglöchern den Berg hinauf zieht, waren wir den orkanartigen Windböen an diesem Tag ausgesetzt. Zudem herrschte Nebel und wie wir von Leuten, die sich ein Stück weiter gewagt hatten, erfuhren, lag auf der Straße in höheren Lagen Schnee.
Wenn wir auch nicht gerade weit gekommen waren, haben wir diesen Abstecher doch nicht bereut. Es war so ein kleiner Hauch von Abenteuer und man kommt sicher nicht jedes Jahr in eine so wildromantische Berglandschaft. Der Endpunkt unserer Bergfahrt war an der Höhle Sönghellir, die eine kurze Verschnaufpause vom Sturmwetter bot. Dass wir nicht die ersten Besucher waren, zeigte sich an den vielen eingeritzten Namen und Botschaften an den Wänden der Höhle. Selbst hier, in der Wildnis Islands, wird man von diesen ziemlich geistlosen Hinterlassenschaften der „Zivilisation“ nicht verschont.
Òlavsvik
Òlafsvik, gelegen an der Straße 574, die entlang der Küste der Halbinsel Snæfellsness führt, ist ein für Island verhältnismäßig großer Ort. Knapp 1000 Leute wohnen hier. Vom 17. bis 19. Jahrhundert war Òlafsvik aufgrund seiner günstigen Hafenlage ein bedeutendes Handelszentrum. Heute spielt neben dem Fischfang immer mehr der Tourismus eine führende Rolle. Von hier aus kann man Wal-Beobachtungsfahrten unternehmen, es gibt ein Schwimmbad, einen Golfplatz und es besteht die Möglichkeit, Touren zum Gletscher des Snæfellsjökul zu buchen.
Was wäre ein Ort in Island ohne ein Museum – selbst wenn es eine Mini-Ausstellung wäre ? So hat auch Òlafsvik seines. Das Heimatmuseum ist im Gamla Pakkhúsið, einem 1844 errichteten Lagerhaus, untergebracht. Bemerkenswert ist die 1967 erbaute Kirche, die in sehr moderner Architektur einen Fisch symbolisieren soll. Mindestens so sehenswert wie die äußere Ansicht ist das Innere der Kirche. Neben den modernen Gebäudeformen fallen vor allem die von der isländischen Künstlerin Gerður Helgadóttir entworfenen bunten Fenster auf. Einen interessanten Kontrast zur modernen Architektur bildet die Kanzel aus dem Jahre 1710.
Das Langhaus Leifur Eirikssons
Verlässt man die Halbinsel Snæfellsnes, ist der kürzeste Weg zur Ringstraße 1 der über Borgarnes. Wir hatten uns jedoch für die Fahrt auf der Straße 54 entschieden, die kurz vor Búðardalur auf die Straße 60 stößt. Dieser Weg ist weiter und die Strecke ist weniger gut, aber man befindet sich hier in der Nähe von Eirikstaðir, einem hochinteressanten Museum, dass die Welt des Leifur Eiriksson, des isländischen Nationalhelden aus dem 10./11. Jahrhundert, zeigt. Ist man auf der Straße 60, muss man aufpassen, die Abzweigung auf die 586 nicht zu verpassen. Dieser schmalen aber gut zu befahrenden Straße folgt man noch einige Kilometer, bis man auf das Museum Eirikstaðir trifft.
Man könnte es leicht übersehen, denn das Museum besteht nur aus einem Torfbau und einer Baracke, in der die Verwaltung sitzt. Der Torfbau ist ein naturgetreuer Nachbau des Langhauses Erik des Roten aus den Jahren um 1000 n. Chr. Hier lebte Erik der Rote vor seiner legendären Entdeckung Grönlands und hier soll auch sein Sohn, der berühmte Leifur Eiriksson, geboren sein. Für ein relativ kleines Entgelt kann man das Haus besichtigen – und nicht nur das, denn eine schöne Isländerin im historischen Kostüm erklärt auf Englisch die Besonderheiten dieses Torfhauses und das Leben ihrer Bewohner. Das alles geschieht im Inneren des Hauses an einem Lagerfeuer.
Wir waren begeistert von dieser Art der Geschichtsvermittlung, denn so prägt sich alles viel besser und intensiver ein, als über Schaukästen oder Infotafeln. Das Torfhaus, ein sogenannter Hallenbau, erscheint auf den ersten Moment ziemlich groß. Doch wenn man bedenkt, dass hier rund 20 Personen wohnten, relativiert sich das doch gewaltig und man wird sich bewusst, über welch großzügigen Platz wir heute verfügen. Neben Erik dem Roten lebten hier noch seine Frau, seine Söhne, zwei Kinder Eiriks sowie mehrere Sklaven. Allerdings muss man sich die Sklaverei der Wikinger anders vorstellen, als allgemein üblich. Die Sklaven gehörten trotz ihrer Unfreiheit praktisch zur Familie.
Das Angenehme an dieser Darstellung war auch, dass es überhaupt keine Berührungsängste – im wahrsten Sinne des Wortes – gab, denn es war kein Problem, die gezeigten Objekte anzufassen und zu probieren. So konnte ich mich mit Schild, Helm, Streitaxt und Fell Eriks des Roten ausstaffieren und mich für einige Momente als Wikinger-Held fühlen. Wir fanden, wenn man Geschichte wirkungsvoll und interessant herüber bringen will, dann ist das in Eirikstaðir vollauf gelungen. Wir empfehlen allen, auch einen eventuellen Umweg in Kauf zu nehmen und das Museum zu besuchen.
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Autor: Michael Nitzschke, Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
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