Sehenswürdigkeiten rund um Réthimnon
In einigen Reiseführern kann man lesen, dass sich die Städte Réthimnon und Chaniá darum streiten, welche die schönste Kretas ist. Nun ja, abgesehen davon, dass es auf Kreta gerade einmal eine handvoll Städte gibt – ansonsten handelt es sich um mehr oder weniger kleine Ortschaften – ist dabei vielleicht eher der Wunsch der Vater des Gedankens. Uns jedenfalls fielen auf Anhieb mehrere wunderschöne Orte ein, die diesen Titel sicher verdient hätten – wenn auch kleinere Ortschaften in die Wertung kommen.
Zu Chaniá können wir nichts Genaueres sagen, denn die Stadt lag einfach zu weit von unserem Quartier entfernt. Unter den kretischen Verkehrsbedingungen hätten wir die meiste Zeit eines Tagesausflugs auf der Straße verbracht. Das erschien uns wenig sinnvoll, zumal es übehaupt keinen Mangel an anderen lohnenswerten Zielen gab.
So starteten wir zu einer Tour nach Réthimnon und in die Umgebung der Stadt. Wenn unsere Erwartungen an Réthimnon auch nicht voll und ganz erfüllt wurden – das lag sicher an den schwärmerischen Lobpreisungen einiger Reiseführer – so konnten wir im Endeffekt doch sagen, dass wir diesen Ausflug auf keinen Fall bereuten. Allein die Festung von Réthimnon, die Fortezza, ist eine längere Fahrt wert. Ansonsten gibt es in der Stadt einige sehr schöne Ecken und Sehenswürdigkeiten und auch in der Umgebung ist das eine oder andere Highlight zu finden. Zum Beispiel ist das Kloster Arkadi, das kretische Nationalheiligtum, eines dieser überaus sehenswerten Ziele.
Im Gegensatz zu einigen anderen Orten Kretas spielte Réthimnon lange Zeit keine große Rolle, es war ein eher unbedeutendes Fischerdorf. Das änderte sich mit den Venezianern, die hier einen wichtigen Hafen einrichteten und von 1573 bis 1580 die Festung erbauten. Heute ist Réthimnon einer der touristischen Schwerpunkte Kretas, was nicht zuletzt an dem kilometerlangen Sandstrand liegt, der sich vom Zentrum der Stadt weit nach Osten hinzieht. Wunderschön ist der Venezianische Hafen, wenn auch die inzwischen etwas schäbig wirkenden Häuserfassaden den Eindruck schmälern. Réthimnon ist im Großteil keine sehr schöne Stadt, doch die auf einer Halbinsel liegende kleine Altstadt ist mit ihrem Gewirr aus schmalen Gassen und alten Häusern zumindest reizvoll.
Fortezza, die Festung von Réthimnon
Hoch über der Altstadt von Réthimnon thront an der Spitze der Halbinsel eine gewaltige Festungsanlage, sicher eine der größten und mächtigsten Kretas. Immerhin konnte sie im Falle der Gefahr die gesamte Bevölkerung Réthimnons aufnehmen. Das war auch bald nötig, denn die Türken schickten sich an, ganz Kreta zu erobern.
Mit der Lage auf einem steilen Felsen an der Spitze der Halbinsel sowie meterdicken Mauern standen die Chancen der Verteidiger eigentlich ganz gut. Doch schon damals wurde beim Bau gepfuscht, was sich bei der Belagerung der Festung durch die Türken 1646 schmerzlich bemerkbar machte. Einige Mauern der als uneinnehmbar geltenden Fortezza stürzten ein und die Türken konnten die Festung relativ leicht einnehmen.
Heute ist die Fortezza die wohl wichtigste Sehenswürdigkeit Réthimnons und unserer Ansicht nach eine der interessantesten Kretas. Erfreulich fanden wir, dass die Festung eine der wenigen kretischen Highlights ist, die ihren Besuchern mit den Öffnungszeiten entgegen kommt. Geöffnet ist – außer freitags – täglich von 8 Uhr bis 20 Uhr, und das zu einem humanen Preis.
Auf dem Areal der Fortezza stehen die unterschiedlichsten Gebäude aus mehreren Jahrhunderten und den verschiedenen Herrscherepochen. So finden sich heute die kleine Kapelle neben dem christlichen Bischofspalast und der türkischen Moschee friedlich nebeneinander. Doch nicht nur die Gebäude sind sehenswert, auch die gewaltigen Mauern und Bastionen. Der Rundgang beginnt am Haupttor in der Ostmauer. Zwei weitere Tore sind noch vorhanden, das Westtor in der westlichen Mauer und das Nordtor, dem eine besondere Bedeutung zugedacht war. Es sollte den venezianischen Truppen der Entsatzflotte den Zugang über die steilen Hänge in die Fortezza ermöglichen. Wegen des starken Seegangs klapte das allerdings bei der türkischen Belagerung nicht. An mehreren Standorten der Mauer und der Bastionen bietet sich ein toller Blick auf das Meer und auf die Stadt. Schon wegen dieser Ausblicke hätte sich unser Ausflug auf den Hügel gelohnt.
Relativ zentral auf einem großen freien Platz stehen drei Gebäude, die eine Besichtigung unbedingt lohnen. Das imposanteste und weitaus größte ist die Sultan-Ibrahim-Moschee. An dieser Stelle befand sich die venezianische Bischofskirche, die jedoch von den Türken nach der Eroberung abgerissen wurde. Schon im Jahr der Einnahme der Festung 1646 erbauten die Türken diese Moschee, die nach Mekka ausgerichtet ist. Das Gebäude kann man auch betreten und den Innenraum besichtigen. Viel zu sehen ist zwar nicht, denn es ist weitgehend leer, doch die Mosaikdecke fanden wir ausgesprochen reizvoll. Das Minarett der Moschee existiert allerdings nicht mehr, es wurde zerstört. Neben der Moschee steht der ehemalige Bischofspalast, von dem jedoch nicht mehr viel übrig ist. Abgeschlossen wird der Komplex von einer kleinen Kapelle, der Ágios Theodóros.
Etwas weiter nördlich steht der Palazzo Rettere, der allerdings nicht die Pracht aufweist, die man gewöhnlich von diesen Bauten erwartet. Früher diente er als militärisches Hauptquartier der Festung und wurde später als Gefängnis genutzt. Ein großer Komplex von Lagerräumen befindet sich an der nördlichen Mauer vor dem Nordtor. Das Haus der Ratsherren von Réthimnon steht an der nordwestlichen Spitze der Fortezza. Diese Lage wurde gezielt ausgesucht, denn von hier hatte man einen wunderbaren Blick auf das Meer und war relativ sicher vor den Kanonen der Türken. Die Kuppel über dem Haus ist aber nicht original, sie wurde später von den Türken aufgesetzt. Interessant und sehenswert sind außerdem der Felsengang zur Bastion Agios Nikolaos, die Kapelle mit einem Pinienhain sowie der Mauergraben.
Wenn noch etwas Zeit bleibt, empfiehlt sich ein Besuch des Archäologischen Museums direkt vor dem Eingang zur Festung. Von außen wirkt das Gebäude ein wenig wie ein Bunker, doch im Inneren sind zahlreiche archäologische Schätze aus den Epochen der Minoer, der Mykener und der Römer zu sehen. Als weniger besucherfreundlich empfanden wir wieder einmal die „kretischen Öffnungszeiten“. Während die Festung bis 20 Uhr geöffnet ist, schließt das Museum schon 15 Uhr. Außerdem sind die Schließtage leider nicht aufeinander abgestimmt, die Festung ist freitags geschlossen, das Museum montags. Schade, aber so verprellt man sicher viele Touristen.
Weitere Sehenswürdigkeiten Réthimnons
Die Fortezza ist unserer Ansicht nach eindeutig die hervorragendste Sehenswürdigkeit Réthimnons, doch ansonsten ist ein Bummel durch die Altstadt auch nicht von der Hand zu weisen. Es gibt hier verwinkelte Gassen, viele Geschäfte und Häuser, die von den unterschiedlichen Machtverhältnissen auf Kreta zeugen. So sind zahlreiche Gebäude im venezianischen Stil errichtet, aber auch Minarette und Kuppeldächer ehemaliger Moscheen weisen auf die Epoche der Türken hin. Dazu finden sich noch einige spezielle Highlights.
Ein guter Ausgangspunkt für den Bummel durch die Stadt ist der Venezianische Hafen. Wir hatten schon schönere gesehen, doch mit seinen Häusern am Hafenbecken, die oft schon „Patina“ angesetzt haben, hat er einen gewissen Charme aufzuweisen. Auf einer historischen Mole kann man zum schlanken Leuchtturm laufen, der aus hellem Kalkstein errichtet wurde.
Nicht weit vom Hafen steht die Venezianische Loggia, von der wir ehrlich gesagt jedoch etwas enttäuscht waren. Es ist ein repräsentativer Bau, der früher dem venezianischen Adel als Klubhaus diente. Unter den Türken wurde daraus eine Moschee. Nach der Vertreibung der Türken riss man das von ihnen angebaute Minarett ab, außerdem alles, was an eine Moschee erinnerte. Das Gebäude wurde restauriert, aber leider auch die ehemaligen Torbögen verglast. Vielleicht sind Kunsthistoriker und Architekten begeistert, doch für uns ergab sich das Bild eines zwar schönen, aber wenig aufregenden Gebäudes.
Mitten im Zentrum der Altstadt befindet sich das Historische Museum. Ein Besuch ist sicher nicht uninteressant, doch wir glauben, dass man nicht viel verpasst, wenn man die Öffnungszeiten verpasst. Die sind nämlich noch etwas „schärfer“ als die sonst auf Kreta üblichen. Geöffnet ist hier montags bis samstags von 9 Uhr bis 14.30 Uhr. Mit den Öffnungszeiten gibt es beim Rimondi-Brunnen kein Problem, der steht an einer öffentlichen Straße und ist jederzeit zugänglich.
Allerdings hätten wir ihn fast übersehen, denn der Brunnen erscheint ziemlich unscheinbar – was sicher zum großen Teil an seinem etwas bemitleidenswerten Zustand liegt. Eigentlich war er nämlich ein bemerkenswertes Kunstwerk, das als Gegenstück zu dem berühmten Morosini-Brunnen in Heraklion gedacht war. Grundlage des Brunnens sind vier korinthische Säulen und drei Löwenmäuler, aus denen das Wasser fließt. Dazu gab es eine lateinische Inschrift. Die ist heute nur noch in Bruchteilen erhalten, auch die Löwenköpfe haben sehr gelitten.
Sicher kein wertvolles Kunstdenkmal, aber ein imposanter Bau ist die Kathedrale von Réthimnon – eine der vielen Kirchen und Moscheen der Stadt. In der Kirche San Francesco finden z.B. wechselnde Ausstellungen statt. Die Moschee Tis Narantzes war ursprünglich eine Kirche, wurde dann zur Moschee umgebaut und 1925 wieder als Kirche geweiht. Hier zeigt sich im Kleinen, wie die unterschiedlichen Besatzer auf das öffentliche Leben auf Kreta Einfluss nahmen.
Das Kloster Arkádi, Kretas Nationalheiligtum
Ein Besuch des südöstlich von Réthimnon gelegenen Klosters Arkádi ist eigentlich so etwas wie eine Pflicht. Das Kloster ist gewissermaßen das Nationalheiligtum der Kreter, denn es steht für den unbändigen Willen zur Befreiung von den Fremdherrschaften. Hintergrund ist der gemeinsame Selbstmord von hunderten Männern, Frauen und Kindern, die lieber in den Tod gingen, als in die Hände der Türken zu fallen. Die Bedeutung des Komplexes sieht man vielleicht auch daran, dass er täglich von 8.30 Uhr bis zum Sonnenuntergang geöffnet ist, was auf der Insel schon als außergewöhnlich gilt.
Die Klosterkirche steht zentral in einem großen Hof, dessen vier Seiten von den anderen Gebäudekomplexen umschlossen sind. Dadurch gewinnt alles den Eindruck eines festungsartigen Gebäudes, was vielleicht nicht ganz falsch ist, denn das Kloster diente oft auch der Verteidigung. Nach dem Passieren des Haupteinganges bietet sich ein schöner Blick auf die Kirche, doch dieser Blick lässt sich noch toppen. Nachdem wir zum Kreuzgang im ersten Stock über dem Tor hinaufgestiegen waren, bot sich uns ein noch exklusiverer Anblick der Gebäude.
Die Klosterkirche wurde im 16. Jahrhundert erbaut und ist bis heute ein sehr schönes Beispiel für den Stil venezianischer Bauten auf Kreta. Auch das Innere der Kirche darf man besichtigen, und das sollte man sich nicht entgehen lassen. Die Altarwand aus Zypressenholz ist zwar nicht mehr original – die ursprüngliche Wand wurde bei der Eroberung des Klosters durch die Türken zerstört – trotzdem ist der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Ersatz ausgesprochen sehenswert.
Überall auf dem Gelände des Klosters trifft man auf Spuren der damaligen Kämpfe. So sind im Refektorium Tische und Bänke zu sehen, die Spuren von Stichen und Hieben zeigen, Die sollen entstanden sein, als die Türken das Gebäude stürmten und 36 Kreter ermordeten. In einem kleinen Museum werden Zeugnisse der Kämpfe im Kloster gezeigt. Eine vertrocknete Zypresse im Klosterhof zeigt noch die Spuren der Kämpfe, so steckt in ihrem Holz eine Kugel.
Eines der wichtigsten Zeugnisse ist jedoch das zerstörte Pulvermagazin. Die Mauern stehen noch, doch die Decke fehlt, sie wurde bei der Sprengung des Magazins weggerissen. Eine Tafel mit einer griechischen Inschrift und ein großes Gemälde mit der Abbildung der Verteidiger des Klosters erinnern an die Geschichte, die hier passierte : 1866 gab es auf Kreta einen Aufstand gegen die türkischen Besatzer. Im Kloster Arkádi hatten sich etwa 1000 Menschen, darunter rund 300 bewaffnete Männer, verschanzt. Die Türken rückten mit einer Übermacht von 1500 Mann an, die Lage der Verteidiger war also hoffnungslos. Aufgeben kam jedoch für sie nicht infrage, sie wählten lieber den Tod als Gefangenschaft. So zogen sich die überlebenden Kämpfer mit Frauen und Kindern in das Pulvermagazin zurück, das sie anzündeten. Die Kreter und viele der türkischen Angreifer starben, lediglich ein kleines Mädchen und eine Handvoll Kämpfer sollen auf kretischer Seite überlebt haben.
Die Verehrung der kretischen Freiheitskämpfer nimmt jedoch teilweise etwas groteske Züge an. In der ehemaligen Windmühle vor den Toren des Klosters wurde nach der Befreiung von den Türken ein Gebeinhaus eingerichtet. Hier wurden die sterblichen Überreste der gefallenen Kämpfer aufbewahrt. In Vitrinen kann man eine Sammlung zahlreicher Schädel „bewundern“.
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Autor: Michael Nitzschke, Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
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