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7-Tages-Tour mit dem Esel im Jura: Tag 4-7

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Wir setzen unsere siebentägige Eselstour im französischen Jura fort. Am vierten Tag starten wir in La Pourvoirie, passieren wieder malerische Landschaften mit zum Teil sensationellen Ausblicken und kommen schließlich am siebten Tag unserer Tour in Lajoux an, wo wir schon erwartet werden.

4.Tag: Von La Pourvoirie über les Moussiéres zum Gite la Vie Neuve

Beim Blick aus dem Fenster kommt keine Freude auf. Es regnet immer noch in Strömen. Ich mache schnell wieder die Augen zu und denke an die letzten beiden Juraaufenthalte.

Ein strahlend blauer Frühlingshimmel wölbte sich damals über uns als wir in La Pourvoirie aufbrachen. Vorbei an den Gebäuden ehemaliger Bauernhöfe, dem Verfall nahe oder von gut betuchten Städtern als Wochenendresidenzen hergerichtet, begleiten uns saftige Wiesen auf denen Tausende von wilden Narzissen blühen. So steuern wir als erstes Ziel das Dorf les Moussieres an. Zu les Moussieres gehören weit verstreut über das 880 bis 1300m hohe Gemeindegebiet verschiedene Hofgruppen und Einzelhöfe wie z. B auch La Pourvoirie. Das Hochplateau der Gemeinde gehörte in früheren Jahrhunderten zum Besitz des Klosters Saint-Claude.

Von wilden Narzissen übersät, Wiese bei La Pourvoirie Auf dem Höhenrücken zwischen La Pourvoirie und dem Dorf les Moussieres Blick auf les Moussieres

Schon vor dem 10. Jahrhundert zogen die Menschen im Sommer aus den Tälern mit ihren Tieren auf diese Höhen um das Gebiet als Weideland zu nutzen. Ganzjährig bewohnte Siedlungen entwickelten sich in dieser Höhenlage aber erst im späten Mittelalter. Heute hat das Dorf ca. 190 Einwohner, noch vor 100 Jahren waren es mehr als 500. Landwirtschaft, insbesondere Viehzucht und Milchwirtschaft, sowie Forstwirtschaft und der sanfte Tourismus prägen les Moussieres. Im Dorf gibt es einen Bäcker, einen kleinen Supermarkt und eine große Genossenschaftsmolkerei. Hier kann man die Käseherstellung Schritt für Schritt beobachten und das Endprodukt auch kaufen. Es gibt neben einem besonders guten Bleu de Gex noch Comté, Morbier und Moussuières. Klar das wir uns später im Schatten hoher Juratannen zu frischem Baguette diese Auswahl schmecken lassen.

Östlich von les Moussieres auf dem Weg in das Hochtal von Bell Combe Im Bell Combe Bell Combe

Wir verlassen Les Moussieres über eine kleine Anhöhe nach Osten. Offenes Wiesengelände und kleine Waldareale begleiten uns bis zu den Weiden des Hochtales von Bell Combe. Das Landschaftspanorama könnte nicht schöner sein. Vor uns liegt die Pracht blühender Wiesen, im Hintergrund, weiter im Osten, die Kette der höchsten Juraberge. Im schattenlosen Hochtal Bell Combe kommen wir ordentlich ins Schwitzen. Für diese Jahreszeit und Höhenlage ist es heute ungewöhnliche heiß. Deshalb sind wir nicht unglücklich, als wir auf den GR9 stoßen, der uns durch Wald mehrere Kilometer nach Norden führt; Rechts von uns fällt das bewaldete Gelände steil in das mehr als 300m tiefer liegen Tal der Valserine ab. Dort unten befinden sich die beiden Skizentren Lelex und Mijoux deren Skilifte hinauf zum 1656m hohen Montoisey und 1533m hohen Petit Montrond führen.

Auf dem Höhenrücken am Ende des Bell Combe kurz vor la Vie Neuve Umgeben von blühenden Wiesen das Gite la Vie Neuve

Es ist später Nachmittag als wir den GR9 in Richtung Westen wieder verlassen um die letzten schattenlosen Kilometer bis la Vie Neuve, unserem Gite d´'étape; zurück zu legen. Die Herberge, ein ehemaliges Schulgebäude, liegt einsam auf einer Anhöhe und es bleibt für uns rätselhaft woher man die Kinder genommen hat um das doch recht große Gebäude mit schulischem Leben zu füllen. Es ist der 30. Mai, Vie Neuve liegt 1264m hoch und wir sitzen im Freien und lassen uns zusammen mit den Herbergseltern vor der untergehenden Sonne das Raclette schmecken.

Von solch einem Tagesablauf und einem gemütlichen Abend unter freiem Himmel sind wir am heutigen 6. Juni weit entfernt! Es hilft nichts, wir müssen den Tatsachen in Form von Regen, Nebel und lausigen 6° ins Auge sehen. Eigentlich sollte man erst gar nicht aus dem Schlafsack kriechen, aber bei diesem Wetter kann man seine Wandertauglichkeit beweisen. Unter solchen Bedingungen darf man seine gute Laune auch nicht verlieren. Und so heißt es wieder Regenklamotten an, Esel gepackt und weiter geht's. Es wird der grauslichste Tag, den ich jemals im Jura erlebt habe!

Ohne Worte

Schon nach weniger als einem Drittel unserer Tagesetappe werden wir in einem kleinen Wiesental ausgebremst. Die starken Regenfälle der vergangenen Tage haben ein kleines Rinnsal über seine Ufer treten lassen und Wiese und unseren Wanderweg großflächig überschwemmt. Hier ist an ein Durchkommen nicht zu denken. Die Zweibeiner könnten es an der einen oder anderen Stelle mit Schuhe aus und Hosenbeine hochgekrempelt zwar schaffen, aber mit Kitch ist da mit Sicherheit nichts zu machen. Hier hilft nur Kartenstudium und Umkehr um wieder festen Boden unter die Füße bzw. Hufe zu bekommen.

Der Regen wird immer heftiger und da wir nicht wissen, was uns auf den weiteren Etappen des Wanderweges erwartet, entschließen wir uns auf kleinen, fast unbefahrenen Landsträßchen unser Tagesziel la Vie Neuve auf dem kürzesten Weg zu erreichen; Trotz allem sind wir bester Stimmung und sollte doch einmal Wetterfrust aufkommen, dann freuen wir uns auf einen gemütlichen Abend und schätzen uns glücklich nicht mit dem Zelt unterwegs zu sein.

Am Nachmittag haben wir unser Ziel erreicht. In unseren Wanderschuhen steht schon seit Stunden das Wasser, anfangs eine unangenehme Sache, aber man gewöhnt sich an alles, zumal beim Laufen das Wasser so nach und nach fast Körpertemperatur angenommen hat. Ansonsten sind wir aber trocken, Regenjacken und Hosen haben sich wieder bewährt.

Nachdem wir Kitch versorgt haben, versorgt uns Chantal, die uns wegen des Wetters herzlich bedauert, zum Aufwärmen mit heißem Tee. Beim Abendessen, es gibt Kartoffelsuppe, Kartoffelbrei Frikadellen und später Käse und Pampelmusentorte, klingelt das Telefon. Sylvie und Jean Yves sind am anderen Ende, sie machen sich Sorgen um uns; Wir können sie aber beruhigen, wir sind bester Laune und das liegt nicht nur am Jurawein und dem Vieux Marc du Jura (Cognac) der vor uns auf dem Tisch steht.

Bevor wir in die Federn kriechen schauen wir noch einmal nach Kitch. Er ist nicht zu beneiden, er verbringt bereits seine dritte Nacht ungeschützt im strömenden Regen. Da haben wir es doch um einiges besser.

5.Tag: Von la Vie Neuve nach Lajoux zum Gite Le Passage

Das gewohnte Bild beim Blick aus dem Fenster. Mit dem Wetter haben wir wirklich kein Glück, so habe ich den Jura noch nicht erlebt. Das Thermometer zeigt wie am Vortag 6°C. Während wir frühstücken besprechen wir mit Chantal unsere Tagesetappe. Wegen des schlechten Wetters rät sie uns von der vorgeschlagen Route abzuweichen und unseren Aufbruch zu verschieben. Der Wetterbericht hat spätestens für die Mittagszeit nachlassenden Regen, höhere Temperaturen und vielleicht sogar etwas Sonne angekündigt.

Als der Regen tatsächlich etwas nachlässt holen wir Kitch von der Weide. Er bekommt sein Futter und wird gestriegelt. Dabei hebt er immer wieder seinen rechten Forderhuf. Also lege ich die Bürste zur Seite und schau mal nach. Tatsächlich haben sich unter seinem Huf Steine verklemmt. Somit werden vor der weiteren Schönheitspflege erst einmal die Hufe gereinigt. So ein Esel ist doch ein schlaues Kerlchen. Bei der Hufpflege war einer meiner früheren Esel ein ganz besonderer Spezialist. Zwei Tage lang habe ich mir seine Hufe immer in der gleichen Reihenfolge vorgenommen und zwei Tage lang hat mich das Langohr nur mit viel Geduld an den letzten Huf gelassen. Dann habe ich angefangen die Reihenfolge zu ändern. Aber egal welcher Huf der letzte war, immer musste man tricksen um ihn hoch zu heben. Offensichtlich konnte dieser Halunke bis 4 zählen und wollte mich damit ärgern. Da sage noch einer "blöder Esel".

Am oberen Talhang von Ruisseau de Chapy der Blick auf Montepile Im Ruisseau de Chapy auf dem Weg nach Septmoncel Septmoncel

Als wir uns von Chantal verabschieden hat es - welch Wunder - aufgehört zu regnen. Der Nebel ist allerdings geblieben und verwandelt den Wald, den wir gleich zu Beginn durchqueren in einen Zauberwald. Eine wunderbare Stille, die nur manchmal vom Schnauben unseres Esels unterbrochen wird umgibt uns und der Nebel verwandelt die alten, von Flechten überwucherten Bäume zu Juratrollen. So nach und nach lichtet sich aber auch der Nebel und kurz bevor es hinunter geht ins Tal des Ruisseau de Chapy erlaubt uns offenes Wiesengelände einen Blick auf Montepile, welches auf der anderen Talseite am Eingang der Georges du Flumen mit seinen Wasserfällen liegt. Die Talstufen enden im 4km entfernten Saint Claude und werden auf beiden Seiten von steilen, bis zu 1140m hohen Hängen flankiert die von zahlreichen Felsbändern durchzogen sind.

Am bewaldeten Hang führt unser Weg hinunter zur Talsohle und zum kleinen Weiler Sur l' Etain, welcher zum höher gelegenen Dorf Septmoncel gehört. Das Gebiet um Septmoncel wurde von Mönchen des Klosters St. Claude ungefähr ab dem Jahr 800 gerodet und urbar gemacht. Erstmals urkundlich erwähnt wird der Ort aber erst mehr als 400 Jahre später. Im 18. Jahrhundert entsteht hier ein Zentrum der Edelstein- und Diamantschleiferei welches unter anderem Zubehörteile für die Uhrenindustrie fertigt. 1906 wurden stolze 1444 Einwohner gezählt, aber dann ging es aus wirtschaftlichen Gründen mit den Einwohnerzahlen steil bergab. Erst in den 80-Jahren des 20. Jahrhunderts konnte diese Entwicklung bei einer Einwohnerzahl von etwas mehr als 600 gestoppt werden.

Blühende Wiese im oberen Ruisseau de Chapy Farbspiel Blühende Wiese im oberen Ruisseau de Chapy

Am linken Talhang bleibt Septmoncel zurück, als wir talaufwärts unseren Weg durch ein lockeres Gemisch aus Weideland und Wald fortsetzen. Die Wiesen begleiten uns in ihrer vollen Pracht, aber seltsamerweise startet Kitch nur halbherzige Versuche um zu naschen. Man wird das Gefühl nicht los, dass der Knabe mit uns spielt und uns veräppeln will. Denn immer wenn ich meine ihn vom Grünzeug abhalten zu müssen, bricht er den Versuch von alleine ab. Offensichtlich sorgt das trockene Wetter bei ihm für gute Laune, die er uns spüren lässt. Auch wir genießen natürlich diese Wetterlage in der stillen Einsamkeit, denn obwohl wir das eine oder andere abgelegene Anwesen passieren, begegnet uns kein Mensch; Am späten Nachmittag erreichen wir die schön gelegene Streusiedlung Les Selmenbergs um von dort aus den Weg in Richtung Osten nach Lajuox einzuschlagen.

Lajoux ist mit seinem geschlossenen Ortskern auf 1171m die höchstgelegene Ortschaft im Jura, zählt heute knapp 300 Einwohner und entstand im Mittelalter an der wichtigen Verbindung von Genf über den Col de la Faucille (1320m) nach St. Claude und weiter ins Burgund.

Juraansicht bei Les  Selmembergs, westlich von Lajoux Die Streusiedlung Les Selmembergs Lajoux

Kaum haben wir das Ortsschild passiert, verliert Kitch seine gute Laune. Schuld ist ein Gullydeckel. Für viele Esel die Horrorvision schlechthin! Ich habe das Teil übersehen und Kitch offensichtlich auch; Als er aber sieht und hört was da ploetzlich vor ihm auftaucht, wird er vor Schreck einige Zentimeter größer, der Kopf geht in Blickrichtung Gullydeckel weit nach oben, die Ohren kreiseln nervös in alle Himmelsrichtungen und mit Getrippel vor dem man seine eigenen Füße in Sicherheit bringen muss, wird das "Ungeheuer" weiträumig umgangnen - oder auch nicht! Könnte nämlich sein, dass der Esel in sicherer Entfernung einfach stehen bleibt und dann sollte man wissen, das daran nur dieser alberne Gullydeckel schuld ist, um den man einen weiten Bogen machen sollte. Kitch verzeiht mir diesen Fehler und läuft weiter, allerdings habe ich das Gefühl, dass er mich scheel von der Seite anguckt, als wollte er sagen: Das nächste Mal bitte besser aufpassen!

Unser Gite Le Passage liegt völlig ungewohnt nahe dem Ortszentrum mitten in einem kleinen Neubaugebiet. Auch das Gite ist neu und gleicht eher einem großen Einfamilienhaus als einer Herberge. Zum erstem Mal auf unserer Wanderung sind wir nicht die einzigen Übernachtungsgäste. 8 geistig behinderte Erwachsene mit 3 Betreuerinnen, allesamt Franzosen, leisten uns beim Abendessen Gesellschaft. Es gibt natürlich Konversationsschwierigkeiten, bei uns hapert es am Französisch und nicht alle Behinderten begreifen, dass wir keine Franzosen sind. Aber dennoch, oder gerade deshalb, sind wir eine ausgesprochen fröhliche Runde. Ach ja, beinahe hätte ich es aus lauter Gewohnheit vergessen: Es regnet wieder!

6.Tag: Von Lajoux über Lamoura und Prémanon zum Gite La Grenotte

Um 8.30 Uhr sitzen wir beim Frühstück. Draußen kein Regen! Kein Nebel! Sensationell! Der Himmel ist zwar grau, aber so dann und wann trifft ein Sonnenstrahl die Erde. Heute liegen, wenn alles gut geht, 6 Stunden Wanderzeit vor uns. Kurz vor unserem Tagesziel müssen wir aber einen Bach auf einer kleinen Holzbrücke überqueren. Wenn Kitch dort Ärger macht wird allerdings ein zeitraubender Umweg fällig. Ansonsten sollte es keine Schwierigkeiten geben, ich kenne diesen Streckenabschnitt.

Unser erstes Ziel ist Lamoura. Wieder nur ein kleines Dorf mit noch nicht einmal 600 Einwohnern. Zwar liegt der Ort in einem beliebten Ausflugsgebiet im Hochjura, aber davon merken wir am heutigen Sonntag nichts. Auf der Hauptstraße, wo wir mit Kitch die Gullydeckel sorgsam umgehen, ist nur selten jemand unterwegs. Im Sommer und noch mehr Im Winter, wenn hier Skilanglauf und Schneeschuhwandern angesagt ist, mag das anders sein, zumal wenige Autominuten nördlich die Westhängen des 1495m hohen Crêt Pela für den alpinen Skisport erschlossen sind.

Die Landschaft ist jetzt von parallel verlaufenden Kämmen und Senken geprägt, welche keine großen Höhenunterschiede aufweisen und sich in Richtung Nordost an der geologischen Ausrichtung des Faltenjuras orientieren. Ausgedehnte Waldgebieten breiten sich aus, die nur in den Senken von schmalen Wiesenstreifen und Weidearealen unterbrochen sind. Absolute Einsamkeit und Ruhe begleiten uns über viele Kilometer. Auf der ganzen Strecke bis Prémanon begegnen wir nur drei Wanderern, ansonsten ist keine Menschseele unterwegs. Nur eine Rinderherde heftet sich einmal an unsere Fersen um uns bis zum nächsten Gatter zu begleiten.

Tierische Begleitung zu Beginn unserer Tagesetappe nach La Grenotte Es ist nicht mehr weit bis Prémanon. Bis hierher und nicht weiter?

Wir erreichen Prémanon dessen Ursprung auf den Mönch Mannon zurück geht. Er war im 9. Jahrhundert im allgegenwärtigen Kloster St. Claude Propst. Er lies das hiesige Gebiet roden und urbar machen. Die freien Flächen wurden Pré Mannon (Weideland/Wiese des Mannon) genannt. Nordöstlich des gerodeten Gemeindegebietes wird die Hochfläche vom schluchtartigen Einschnitt Gorges de la Chaille unterbrochen. Sein Bachlauf mit der Brücke am Beginn der Schlucht ist für uns die kritische Stelle. Allerdings haben wir schon beim Abstieg leichte Probleme. Vermutlich durch Schneebruch umgestürzte Bäume blockieren den Weg und so müssen wir mühselig und zeitraubend einen gangbaren Weg für Kitch finden. Der vom Regen aufgeweichte Boden macht die Sache nicht leichter. Vom Rauschen des Wasserlaufes in der Tiefe lässt sich unser Esel bisher aber nicht beeindrucken. Als wir die Talsohle erreichen und nach einer Biegung die Brücke vor uns auftaucht steht die Ampel in Kitch allerdings auf rot. Bis hierher und nicht weiter scheint die Devise. Soweit war ich vor Jahren an dieser Stelle zusammen mit einem Freund und zwei Eseln schon einmal. Damals war Umkehr und Umweg angesagt.

Aber mittlerweile bin ich um einige Esel schlauer geworden. Somit erst mal keine Panik! Esel fürchten sich vor Gullydeckeln, Wasserrauschen, solchen schmalen Brücken und gehen nur ungern - oder eher gar nicht - durch Wasser. Aber deshalb sind sie noch lange nicht feige, sondern einfach nur vorsichtig. Auch ein Esel schätzt wie andere Kreaturen seine heile Haut. Wenn Kitch stehen geblieben ist um das Gefahrenpotential Brücke abzuschätzen und er sich seine weiteren Schritte in Ruhe überlegen möchte, dann bitte, wollen wir nicht drängeln. Allerdings hoffen wir, dass das nicht zu lange dauert.

Wir sind seit fast 7 Stunden unterwegs und hätten gegen eine baldige Ankunft in La Grenotte nichts einzuwenden. Der erste Versuch mit einem munteren Allez die Ampel in Kitch auf grün zu schalten geht nach geraumer Zeit allerdings daneben, er rührt sich nicht vom Fleck. Beim zweiten Versuch täusche ich eine Richtungsänderung vor und Ute verteilt mit dem Stock leichte Klapse auf das Hinterteil von Kitch, worauf er sich zögernd in Bewegung setzt. Das Zögern könnte aber weniger an der kommenden Brücke als am rutschigen Untergrund bis dorthin liegen. Denn als es über die Brücke geht, tut er das ohne jede Nervosität und so, als würde er das jeden Tag mehrmals machen. Nach der Brücke möchten wir ihn zu Belohnung fressen lassen, aber er ignoriert die Köstlichkeiten und drängt weiter. Ich glaube er wollte uns mit seiner "Denkpause" nur auf die Folter spannen. Wir folgen nun dem Bachlauf talaufwärts und als wir kurz darauf den Wald verlassen liegt über uns auf der anderen Talseite unser Tagesziel La Grenotte.

Kitsch auf seiner Weide in La Grenotte Weitere Gäste für das Gite La Grenotte. Der Jura ist auch eine gute Adresse für Reitertrekking. Begegnung der anderen Art

Üblicherweise wird in den Gites um 19.30 Uhr gegessen. Unseren Herbergselter Isabelle und Jean-Claude verschieben das heute aber um eine halbe Stunde. Denn nach den letzten Regentagen und einem wettermäßig durchwachsenen Tag sitzen wir alle im Freien um eine unerwartete Abendsonne zu genießen. Wir, das sind insgesamt 10 Übernachtungsgäste. Zu uns gesellen sich 5 junge Frauen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz, die mit Pferden und Führer unterwegs sind. Dazu ein junges belgischer Paar, das morgen zu einer mehrtägigen Rucksackwanderung startet. Jeder interessiert sich für die Aktivitäten des anderen. Wir werden natürlich in Sachen Esel ausgefragt. Ist er störrisch, macht er Ärger wenn man ihn von der Weide holen möchte oder macht er sonstigen Unsinn? Wir loben unseren Kitch über den grünen Klee, was er uns aber am nächsten Tag absolut nicht dankt.

Dann wird das Essen aufgetischt. Zunächst gibt es Tomatensalat mit Käse, danach Lasagne mit Spinat und Lachs. Es geht weiter mit einem Kirschauflauf (Clafoutis) und zum Abschluss darf natürlich auch hier der Jurakäse nicht fehlen. Wir sind mit den Kochkünsten unserer Herbergseltern rundherum zufrieden; Glücklich, satt und müde ignorieren wir das gemütliche Feuer im Kamin und verkrümeln uns in unsere kuscheligen Betten.

7.Tag: Von La Grenotte über den Crêt Pela nach Lajoux

Es ist fast nicht zu fassen, aber wir werden von der Sonne geweckt!!! Dementsprechend gut ist natürlich bei allen die Stimmung am Frühstückstisch. Man frühstückt gemütlich, hält sich aber nicht unnötig lange damit auf. Bei diesem Wetter wollen wir alle so schnell wie möglich aufbrechen.

Die Frauen holen ihre Pferde von der Koppel und wir starten unser Programm mit Kitch. Ich pfeife ihm, er hebt kurz den Kopf, schaut zu uns herüber - und frisst seelenruhig weiter. Hoppla! Also noch ein Pfiff - keine Reaktion. Ausgerechnet jetzt kommen die Mädels mit ihren Pferden vorbei und feixen: Mag er nicht? Was hat er denn heute Morgen? Vielleicht fürchtet er sich vor Pferden? Und so weiter und so weiter. Ganz schön peinlich nach unseren Lobgesängen gestern Abend. So ein Esel, dieser Esel heute Morgen. Ich hol den Futtersack, rassle damit um ihn zu locken - Fehlanzeige. Jetzt kommt zu allem Überfluss auch noch Jean-Claude und fragt ob wir ein Problem haben. Wie kommt er denn auf die Idee?

Ich schnappe mir das Halfter um Kitch von der Weide zu holen. Wenigstens lässt er sich das Halfter ohne Widerstand anlegen. Das war's aber auch schon, er rührt sich nicht von der Stelle. Heiliger Strohsack. Langsam komme ich ins Schwitzen. Ute bringt mir den Futtersack, den ich Kitch umhänge und endlich setzt sich diese Kanaille in Bewegung. Mit seinem Futtersack auf einer saftigen Wiese sieht er ziemlich dämlich aus, aber ich mach daneben mit Sicherheit keine bessere Figur. Als Kitch gepackt ist, verabschieden wir uns von allen und schleichen von dannen. Anders kann man es wirklich nicht nennen. Unser Esel hat heute entweder ein für uns nicht erkennbares Problem, oder er hat schlicht und ergreifend keinen Bock. Am Abend wird alles klar, aber im Moment müssen wir dafür sorgen, dass Kitch nicht im Laufen einschläft.

Abschied von La Grenotte Blick auf La Cure, Grenzort zwischen Frankreich und der Schweiz

Wir verlassen La Grenotte talaufwärts. Auf der Anhöhe erblicken wir im Norden den 1km entfernten Grenzort La Cure. Ein Teil des Ortes liegt in der Schweiz, der andere in Frankreich. Wer dort im Hotel Arbézie übernachten möchte kann sich für ein Bett in Frankreich oder eines in der Schweiz entscheiden. Die Küche, wie man hört eine ausgezeichnete, liegt auf französischem, die Toiletten auf Schweizer Boden, der Gastraum wird beiden Ländern gerecht.

Wir schwenken nach Süden wo wir auf der D29 zunächst leerstehende Hotelkomplexe und zu dieser Jahreszeit nutzlose Liftanlagen des Alpinen Skizentrums von les Jouvencelles passieren. Alpine Skigebiete ohne Schnee haben etwas deprimierendes. Nach der letzten Liftanlage verlassen wir die Straße um über den Höhenrücken Foret du Massacre unseren Anstieg zum 1495m hohen Crêt Pela zu beginnen. Doch schon nach kurzer Zeit weigert sich Kitch eine harmlos sumpfige Wiese zu überqueren. Das ist nicht weiter dramatisch, wir umgehen die Wiese ohne großen Umweg. In den letzten Tagen wären solche Stellen überhaupt kein Thema gewesen, aber heute hat er echt einen Vogel; Nach mehr oder weniger steilen Anstiegen erreichen wir zur Mittagszeit das einsam im Wald gelegene Gite de la Frasse. Es hat leider noch nicht geöffnet, wir sind eine Woche zu früh. So wird es nichts mit einem schönen Mittagessen. Aber dank unserer Vorräte in den Satteltaschen von Kitch werden wir nicht verhungern oder verdursten.

Nach einer ausgiebigen Pause wird es ernst, denn nun beginnt der eigentliche Aufstieg zum Crêt Pela, dem höchsten Punkt unserer gesamten Wanderung. Es ist schwül und heiß, wir kommen ordentlich ins Schwitzen. Wenigstens sind die Wege trotz des vielen Regens der letzten Tage bis auf wenige Ausnahmen gut begehbar. Auch Kitch hat wieder zu seinem normalen Tempo zurück gefunden. An den steilen Stellen macht er allerdings ziemlich viele Pausen, offensichtlich hat er auf seiner ersten Wandertour des Jahres noch etwas Konditionsprobleme.

Auf dem Crêt Pela Ankunft in Le Passage und Abschied von Kitch

Der Ausblick vom Crêt Pela enttäuscht uns dann allerdings, außer Bäumen ringsum ist nicht viel zu sehen. Erst auf der anderen Bergseite und einige Meter tiefer hat man freie Sicht auf die Kette der höchsten Juraberge im Südosten. Dort braut sich gerade ein Gewitter zusammen, das Donnergrollen ist nicht zu überhören. Auf so einen Mist könnten wir jetzt gerne verzichten, deshalb schauen wir, dass wir so schnell wie möglich von diesen Höhen herunter kommen. Unsere Sorge ist nicht ganz unberechtigt, zwar bleiben wir verschont, aber südlich von uns donnert es immer heftiger und als wir in Lajoux eintreffen liegen an manchen Stellen noch Hagelkörner am Rand der Straßen. Wir haben Glück gehabt!

Über der Jurakette braut sich ein Gewitter zusammen .

In Lajoux ist unsere Wanderung zu Ende. Im Gite Le Passage wartet Jean Yves schon mit dem Tieranhänger auf uns; Er ist froh uns zu sehen, denn wegen des Gewitters hat er sich etwas Sorgen um uns gemacht. Am Abend werden wir in Le Nerbief von Sylvie und Jean Yves zum Essen eingeladen. Das gehört nicht mehr zum Wanderprogramm, das ist eine private Einladung für einen "Stammgast" wie mich. Außerdem wollen die beiden nach der Tour wissen wie es uns und ganz speziell Ute gefallen hat. Waren die Unterkünfte und das Essen in Ordnung, wie war die Strecke, gab es irgend welche Probleme und natürlich wie war der Esel?

Wir geben gerne Auskunft und loben natürlich Kitch. Er war bisher der beste Esel auch wenn er heute etwas seltsam war. Wir erzählen die Geschichte. Sylvie und Jean Yves schauen sich an und müssen lachen. Dann erklären sie uns was los war. Kitch hatte im letzten Jahr einige Touren mit Endstation La Grenotte. Das heißt, er wurde am nächsten Morgen mit dem Tieranhänger abgeholt. Daran hat er sich mit Sicherheit noch erinnert. Als wir ihn dann heute Morgen von der Weide holen wollten, hat er kurz mal nachgeguckt wer da pfeift. Und da es weder Jean Yves, noch einer seiner Leute war und seine Augen auch keinen Anhänger erblickten, da gab es für ihn überhaupt keine Veranlassung seine herrliche Weide zu verlassen um "Überstunden" zu machen. Als es sich dann nicht vermeiden ließ, war er erst einmal einige Stunden beleidigt. Esel sind fantastische Kreaturen!!! Der Jura eine herrliche Wanderlandschaft und somit werden wir eines Tage wieder kommen.

Erweiterung der Tour um 2 Tage

Die beschriebene Tour mit ihren 7 Wandertagen ist nur eine von vielen Möglichkeiten um vom Startpunkt Le Nerbief mit dem Esel unterwegs zu sein.

Südöstlich von Lajoux auf dem Weg nach La Guienette Abwechslungsreiche Wald- und Wiesenlandschaften erwarten den Wanderer zwischen Lajoux und La Guienette. Der südliche Ausläufer des Hochtales von Bell Combe Gite Refuge la Guienette, wunderschön am Ende des Bell Combe gelegen und eine der ältesten Herbergen des oberen Jura. Dahinter die höchsten Gipfel der Jurakette. Zwischen La Guienette und Le Berbios

So könnte man die Tour um 2 Tage verlängern oder für den 6. und 7.Tag eine Alternativroute wählen. Beide Möglichkeiten führen über das herrlich gelegene Gite Refuge la Guienette zurück zum Ausgangspunkt Le Berbois bzw. Le Nerbief. Dieser Streckenabschnitt ist sehr schön und hat keine großen und anstrengenden Höhenunterschiede aufzuweisen.

Als Standardprogramm werden in Le Nerbief Wanderungen von 3 bis 7 Tagen angeboten. Wer nur mal schnuppern und testen möchte wie er mit so einem Esel zurecht kommt, der kann den Vierbeiner auch nur für einen oder zwei Tage an die Leine nehmen.

Es gibt anspruchsvollere Touren, bei denen aber die längste Wanderzeit von 6 Stunden im Normalfall nicht überschritten wird, oder einfache Wanderungen die auch für Kleinkinder ab 3 Jahre geeignet sind. Kinder können auch mal auf dem Esel reiten. Allerdings sollte man darauf achten, dass der Esel zusammen mit Kind und Gepäck nicht mehr als 30kg schleppen muss.

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