Kleinseite, malerischer Stadtteil von Prag
Die Prager Kleinseite, der malerische Stadtteil am Fuße des Hradschin und der Prager Burg, hat einen ganz besonderen Reiz in der an schönen Reizen gar nicht armen Moldaustadt. Eine Vielzahl an Barockgebäuden, zahlreiche Kirchen, Museen und Palais aber vor allem auch verwinkelte Gassen, Gartenanlagen und Treppen lassen diesen Stadtteil für Touristen zu einem besonderen Erlebnis werden. Ergänzt wird dies durch den Laurenziberg, einer grünen Oase mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten.
Kirchen der Kleinseite
Kommt man über die Karlsbrücke, vorbei an den Brückentürmen der Kleinseite, stößt man nach wenigen hundert Metern direkt auf die Sankt-Nikolaus-Kirche. Zu übersehen ist die wahrlich nicht, zu imposant ist das Gebäude mit dem Glockenturm und der mächtigen Kuppel. Sie ist unzweifelhaft eines der markantesten Wahrzeichen Prags und wird zu den schönsten und prächtigsten Kirchen des Barockzeitalters in Europa gezählt.
Noch prächtiger als ihr Äußeres ist das Innere der Kirche. Ausgestattet mit der Architektur und den Verzierungen des Barock ist sie ohne Zweifel einen Besuch wert. Besonders erwähnenswert ist ein 1500 m² großes Deckengemälde mit Bildern aus dem Leben des Heiligen Nikolaus von Myra. Auch dieses Gemälde ist beachtenswert, zählt es doch zu den größten derartigen Gemälden; Wer noch ganz gut zu Fuß ist, kann den Kirchturm ersteigen und wird mit einem schönen Ausblick über Prag belohnt.
Wie so viele Kirchen wurde auch diese zur Gegenreformation erbaut und die bis dahin dort stehende protestantische Kirche abgerissen. Erbauer war der Orden der Jesuiten, der allerdings nur etwa 100 Jahre später aus dem Lande getrieben wurde.
In der Straße Karmelitská steht die kleinere Wallfahrtskirche Maria zum Siege, die jedoch weit mehr Besucher hat als die Sankt-Nikolaus-Kirche. Das sind aber nicht nur Touristen sondern zahlreiche Pilger aus aller Welt. Grund für diese Pilgerfahrten ist das Prager Jesulein, eine Figur aus Wachs mit großer Krone. Dieses Jesulein soll während der Gegenreformation allerlei Wunder vollbracht haben, was ihm die Verehrung der Katholiken aus der ganzen Welt einbrachte.
Erbaut wurde die Kirche im Jahre 1611 ursprünglich von deutschen Lutheranern. Diese verloren ihren Anspruch auf das Gotteshaus aber nach nur 13 Jahren mit dem Wiedererstarken und dem Sieg der Katholiken, und so ging die Kirche in den Besitz des Ordens der Unbeschuhten Karmeliter über. Dieser Orden ist noch heute der Verwalter der Wallfahrtskirche Maria zum Siege.
Besonders berühmt sind die Deckenmalereien in der Sankt-Thomas-Kirche. Diese Kirche, zu der ein Klostergebäude der Augustiner-Eremiten gehörte, wurde zwischen 1285 und 1379 erbaut. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde sie im Stil des Barock umgebaut, in dem sie noch heute existiert.
Museen der Kleinseite
Die Insel Kampa mit der Moldau auf der einen Seite und dem Teufelsbach auf der anderen ist ein sehr schönes Fleckchen Erde, gelegen zwischen der most Legii, der Brücke der Legionen, und der Karlsbrücke. Der Südteil der Insel besteht aus einem schönen Park mit Liegewiesen, auf denen man gut entspannen kann.
Das eigentliche Highlight der Insel ist jedoch das Museum Kampa. Im Museum wird die Kunstsammlung des Ehepaares Mládek gezeigt, Werke die oft kubistisch oder abstrakt sind. Dazu kommt ein großer Teil Kunstwerke, die das Ehepaar von Künstlern der ehemaligen kommunistischen Staaten kaufte und die sie damit unterstützen wollten; Neben der eigentlichen Sammlung gibt es in einem Nebengebäude noch wechselnde Ausstellungen zu sehen. Die Mládeks sind geborene Tschechen, die nach Amerika auswanderten und von dort aus ihr Heimatland unterstützten.
Wir waren beeindruckt vom Museum, einer ehemaligen Wassermühle. Sicher werden die Kunstwerke nicht jedem gefallen, aber sie werden in einem angenehmen Ambiente präsentiert und sind unbestritten sehr interessant und diskussionswürdig; Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt, dem Museum angeschlossen ist ein gepflegtes Restaurant mir einer Terrasse, die wunderschön am Wasser liegt. Wir waren am späten Nachmittag am Museum und finden, dass es zu dieser Tageszeit hier besonders schön ist.
Nicht weit entfernt, in der Karmelitská 2-4, befindet sich das Tschechische Musikmuseum. Eine große Musikinstrumentensammlung, darunter sehr skurrile Instrumente, ist der Schwerpunkt in diesem Museum. Das Tschechische Musikmuseum ist noch ziemlich jung, erst seit dem Jahre 2004 wird die Sammlung im Gebäude eines früheren Dominikanerklosters gezeigt. Dazu wurde das Bauwerk restauriert und modernisiert.
Gegenüber dem Palais Waldstein steht ein äußerlich eher unscheinbares kleines Haus; Es beherbergt jedoch auch ein Museum, das Comenius-Museum. Viele werden den berühmten Satz "Es kommt die Zeit, wo Völker ihre Schwerter in Pflüge, ihre Lanzen in Sicheln und ihre Musketen in Hacken umschmieden werden" kennen. Die DDR-Friedensbewegung hatte mit ihrem Slogan "Schwerter zu Pflugscharen" Bezug darauf genommen. Die wenigsten jedoch werden wissen, dass dieser Satz von dem Theologen, Pädagogen und Visionär Jan Amos Komenský, besser bekannt als Comenius, geprägt wurde, und das schon vor einigen hundert Jahren. Comenius lebte von 1592 bis 1670.
An einen der bekanntesten Prager, den Schriftsteller Franz Kafka, erinnert das Franz-Kafka-Museum wenige Meter neben der Karlsbrücke. In einem Hof direkt an der Moldau steht das Haus, in dem das Museum untergebracht ist. So skurril und beengend wie das Leben des Dichters war, so ist auch das Museum eingerichtet. Schwarze Wände und Gänge, die mit ihrem labyrinthartigem Charakter an den Weg Kafkas erinnern umgeben die Ausstellungsstücke, zu denen viele schriftliche Zeugnisse aus dem Leben Kafkas gehören. Natürlich erfährt man auch einiges zu seinen Werken und nicht zuletzt von den Frauen, die für ihn Bedeutung hatten.
Im Hof ist eine Figurengruppe aufgestellt, die wirklich kafkaesk erscheint und die Besucher, vor allem die weiblichen, zu manchem Schabernack treibt. Es handelt sich um zwei pinkelnde Männer, die sich bei dieser Tätigkeit um ihre Achse drehen. Wenn wir alles richtig gedeutet haben, zeigen die Umrisse des Brunnens auf dem sie stehen die Umrisse Tschechiens. Vorm Eingang in das Haus steht ein imposantes Doppel-K.
Das Museum ist weder städtisch noch staatlich, es wurde 2004 von einer privaten Initiative gegründet. Im Hof findet man auch Gastronomie, so dass einer kleinen Pause, die man hier eventuell einlegen möchte, nichts im Wege steht. Ein kleines Stück weiter gibt es noch ein relativ kurioses Museum, das Kaffeemuseum. Darin wird allerlei zu diesem Getränk und seinem Anbau dokumentiert, von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ob man es unbedingt gesehen haben muss, möchten wir bezweifeln, auch weil der Eintritt fast so viel kostet wie im Kafka-Museum.
Der Laurenziberg
Wer sich etwas vom Großstadttrubel erholen will, kann einen Ausflug auf den Prager Laurenziberg unternehmen, obwohl es auch dort meistens nicht übermäßig ruhig zugeht. Die Touristenströme lassen den Berg natürlich auch nicht links liegen.
Zu erkennen ist der Laurenziberg vom Ufer der Moldau aus an einer langen Mauer, die sich von der Kuppe hinunter zieht. Der etwas seltsame Name dieses Bauwerkes, die Hungermauer, soll sich auf Karl IV. beziehen, der mit der Errichtung der Mauer den Hunger leidenden Menschen Arbeit und damit Brot gegeben haben soll. Man kann sagen, es handelte sich dabei um eine frühe Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Vorausgesetzt, die Geschichte stimmt. Jedenfalls war die Hungermauer Teil der ehemaligen Stadtbefestigung.
Es führen einige Wege durch Grün den Berg hinauf. Schneller und bequemer geht es jedoch mit der Standseilbahn, die ihre Passagiere in wenigen Minuten auf den Berg bringt. Wir hatten die Bahn benutzt und haben den Abstieg dann per Fuß bewältigt. Das ist eine unserer Meinung nach sinnvolle Variante, bei der man das Erlebnis der Standseilbahnfahrt genießen kann und doch nicht auf den Spaziergang entlang des Berges verzichtet.
Heute wird die Bahn elektrisch betrieben. Bei ihrer Inbetriebnahme 1891 erfolgte der Transport nach einem raffinierten Prinzip. Die Bahnen hatten Wassertanks, die oben gefüllt und unten geleert wurden. So zog das Gewicht die eine Bahn hinunter, während die andere leichtere hinauf gezogen wurde. Möglich ist auch, an der zusätzlichen Haltestelle, die sich etwa in der Mitte der Strecke befindet, ein- oder auszusteigen. Dort gibt es auch ein Restaurant.
An der Endstation auf dem Berg findet man sich nach dem Aussteigen in einem großen Rosengarten wieder. Ein Spaziergang durch die duftenden Beete ist eine schöne Erholung, allerdings kommt man nur in der richtigen Jahreszeit in diesen Rosengenuss. Am Rande des Garten steht die Štefániksternwarte von 1928. Astronomisch Interessierte können hier einen Blick auf den Himmel werfen. An der Hungermauer findet man die Sankt-Laurentius-Kirche, die Namensgeberin des Laurenziberges. Ursprünglich war es ein romanisches Bauwerk aus dem 10. Jahrhundert, das später im barocken Stil umgebaut wurde. Besichtigen kann man das Innere der Kirche aber nicht, die Türen sind fast immer fest verschlossen.
Ein wenig an einen Jahrmarkt erinnert das Spiegelkabinett, eine nachgebaute Ritterburg aus Holz mit einem Labyrinth aus verzerrenden Spiegeln; Gleich daneben hat man etwas andere Sichten, nämlich vom stählernen Aussichtsturm. Wer sich an den Pariser Eiffelturm erinnert fühlt, liegt gar nicht so falsch. Schon kurz nach dem Pariser Original wollten auch die Prager ein derartiges Objekt haben und so entstand der Turm auf dem Laurenziberg. Mit 60 m Höhe kann er allerdings mit dem Original nicht mithalten. Da der Prager Turm aber auf dem Berg steht, ist der Ausblick auf die Stadt und ins Umland trotzdem beeindruckend, gute Sichtverhältnisse natürlich vorausgesetzt.
Möchte man noch im Grünen spazieren, kann man eine Vielzahl an Wegen nutzen, die durch das Gelände des Laurenziberges führen. Geht man entlang der Hungermauer bis an deren Ende, kommt man zum Kloster Strahov, von dort aus ist man in wenigen Minuten an der Prager Burg. Die andere Variante ist der Abstieg zur Kleinseite. An diesem Ende der Hungermauer trifft man auf ein beeindruckendes Kunstwerk. Zahlreiche nackte Figuren aus Metall stehen am Berg. Den Figuren fehlen teilweise Gliedmaßen oder halbe Köpfe und es klaffen Öffnungen, die an Wunden erinnern. Das ist beabsichtigt, denn bei der Figurengruppe handelt es sich um das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus.
Weitere Sehenswürdigkeiten der Kleinseite
Steht man auf den Straßen der Kleinseite und schaut hinauf zur Prager Burg, sieht man am Berg eine interessante Gartenanlage, die Palastgärten. Diese terrassenförmigen Gärten sind sowohl von den südlichen Wallgärten der Burg als auch über zwei Eingänge in der Prager Kleinseite zu erreichen.
Ursprünglich wurde hier Weinanbau betrieben, ab dem 17. Jahrhundert entstanden Gartenanlagen auf verschiedenen Terrassen. Geschmückt wurden diese mit Brunnen, Laubengängen, Statuen und anderen Verzierungen, vorrangig im Stil des Barock. Wir fanden die gesamte Anlage und den Ausblick, den man an einigen Stellen über Prag hat, sehr empfehlenswert.
Albrecht von Waldstein, ein protestantischer Adliger, der zum Katholizismus übertrat und im Dreißigjährigen Krieg eine große Rolle spielte, ist der Namenspate seines gleichnamigen Palais. Das Palais Waldstein ist ein sehr imposanter Bau an der Straße Valdštejnská. Die Gebäude, gruppiert um mehrere Höfe und eine große Gartenanlage gehören zu dem gewaltigen Komplex. Der Garten kann in den Sommermonaten besichtigt werden, das Palais mit dem rießigen über zwei Etagen gehenden Festsaal nur an den Wochenenden. Wechselnde Ausstellungen sind in der ehemaligen Reithalle zu sehen.
Viele werden sich noch an die Bilder erinnern, die im Sommer 1989 um die Welt gingen. In der Deutschen Botschaft in Prag hatten mehrere tausend DDR-Bürger Zuflucht gesucht und campierten aus Platzgründen auch im Garten der Botschaft. Das Palais Lobkowitz ist auch heute noch die deutsche Botschaft und deshalb ist das barocke Bauwerk der Öffentlichkeit leider nicht zugänglich. Wer einen Blick über den Zaun riskiert, sieht im Garten einen Trabi, das Kultauto, auf vier Beinen. Der Pop-Künstler D. Cerný hat das Kunstwerk zur Erinnerung an die Ereignisse entworfen.
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Autor: Michael Nitzschke, Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
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